Sido und Savas live in Berlin: Unser gemütlicher Thron
Kool Savas und Sido gaben in der ausverkauften Berliner Max-Schmeling-Halle ein routiniertes Nostalgie-Konzert, bei dem ihr "Royal Bunker"-Album im Zentrum stand.
Früher waren Kool Savas und Sido die beiden Säulen der Berliner Hip-Hop-Szene. Sie haben den rauen Battlerap von den Kellern ins öffentliche Bewusstsein, in die Charts und in die Kinderzimmer gebracht. Savas deklinierte in seinen Texten jede Art von menschenfeindlichem Ismus durch, und das mit ungehörter technischer Finesse. Und Sido, damals noch mit Maske, hätte fast im Alleingang ein neues Jugendschutzgesetz gerechtfertigt.
Früher. Heute kommt die härteste neue Punchline des Abends noch bevor in der ausverkauften Max-Schmeling-Halle das Licht ausgeht: „Einlass 18 Uhr“. Die Tribünen sind bestuhlt, und am Wurststand wartet ein Mann im Hoodie mit „Good Dad Gang“-Aufdruck auf seine Bestellung. Das könnte nicht weiter vom schummrigen Rap-Keller entfernt sein, dem Sido und Savas mit ihrem ersten gemeinsamen Album ein Denkmal setzen wollen.
Der titelgebende „Royal Bunker“ war erst ein Café in Kreuzberg, dann ein von Marcus Staiger, dem einzigen Rap-Marxisten Deutschlands, geführtes Label. Ende der Neunziger war der Bunker die Brutstätte für den Straßensound, der ein paar Jahre nach dem Ende der ersten Deutschrapwelle die ganze Bundesrepublik überrollte und verstörte. Vorher hatte Berlin als Rapstandort kaum Bedeutung gehabt.
Bäuchlein und Graubart
Sido und Savas hatten damals wenig miteinander zu tun, waren teilweise sogar auf verfeindeten Labels. Die Zusammenarbeit umweht die Absicht, aus Nostalgie Geld zu machen, auch wenn die Bühnenchemie authentisch herzlich ist. Obwohl einzeln Stars, sind Savas in Schwarz (und mit deutlichem Bäuchlein) und Sido in Weiß (und mit Grau in Bart) zusammen kein Duo für die Geschichtsbücher. Exklusiv auf der Tour wird das Mixtape "Wasch den Thron" verkauft, aber für einen Vergleich mit dem inzwischen wohl aufgelösten „Throne“-Projekt von Jay-Z und Kanye West, sind sich Savas und Sido zu ähnlich. Sido hat vielleicht mehr Charisma, Savas dafür mehr technisches Können. Aber beide sind vor allem Berliner, die stets Berlin sein wollen.
In den USA gibt es die Bezeichnung „ignant“ für Rap, der betont stumpf, aggressiv, oft auch frauen- und schwulenfeindlich ist. Im „Bunker“ zelebrierten Gruppen wie Die Sekte (mit Sido) und MOR (mit Savas) lustvoll das Ignant-sein, und grenzten sich so vom der Wortakrobatik verpflichteten Hamburg oder dem Conscious Rap zugeneigten Stuttgart ab. Höchstens zum Straßenrap aus Frankfurt gab es Verbindungen. Aber wo Konkret Finn und Azad den amerikanischen Vorbildern nicht nur in Sachen Härte, sondern auch in der Soundkomplexität nacheifern wollten, war es in Berlin lange egal, wie es klang, solange es knallte und räudig war.
An Sido perlen Buhs und Kritik ab
Index und Jugendgefährdung haben Sido und Savas schon lange hinter sich, das ultra-explizite und monothematische Frühwerk wird im Konzert eher beiläufig abgehandelt. Schwerpunkt ist das gemeinsame Album, das von der Kritik unfreundlich bis feindselig aufgenommen wurde. Auch, weil es Symbol für die endgültige Verbürgerlichung der einstigen Bürgerschrecke zu sein schien. Zumindest von Sido perlt diese Kritik ab. Er will auf großer Bühne glaubwürdig älter zu werden. Dass er mit seiner langweiligen Vorort-Familienvater-Existenz sehr zufrieden ist, bringt ihm nicht nur den Spott vorlauter Feuilleton-Autoren ein, sondern auch das zornige Kopfschütteln alter Fans, zumal, wenn dabei grundschultauglicher Deutschpop wie „Astronaut“ entsteht. In Köln wurde der Überraschungsauftritt von Andreas Bourani ausgebuht.
Auch in Berlin wird gebuht, hier wird der Refrain von Adesse gesungen. Aber Sido, das ist sein Trumpf, ist das egal - so egal, dass er anschließend den notorischen „Arschficksong“ als Antwort an die Zweifler andeutet und dann doch nicht bringt. Erst später wird er gespielt – von Savas, mit ausgeliehener Maske. Sido muss niemandem etwas beweisen.
Savas wirkt unsicher hinter seinem Geprahle
Diese Kunst hat Savas auch 20 Jahre nach der Selbstkrönung zum King of Rap immer noch nicht gelernt. Hinter seinem Geprahle und seinen Drohungen, vorgetragen mit kieksiger Stimme, scheinen immer Neurosen, sogar echte, fast jungenhafte Unsicherheit zu stecken. Das verlässt ihn selbst auf größter Bühne mit Pyrotechnik und vor über 10.000 begeisterten Fans nicht - seine Hits seien ja alle schon etwas älter, und seine neueren Sachen kämen nicht mehr so an, deswegen muss er immer altes Zeug spielen, witzelt er und lacht nicht.
Viertel nach 10 ist das Konzert vorbei. Irgendwo in Berlin bereitet sich vielleicht ein junger Rapper oder eine junge Rapperin auf einen Battle in einer Cypher vor. Die alten Könige sind derweil auf dem Weg nach Hause. Es sei ihnen gegönnt.
Fabian Wolff
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