Neujahrskonzert an der Komischen Oper: Und Paris tanzt
Generalmusikdirektor Henrik Nánási jagt sein Orchester der Komischen Oper am Neujahrstag durch eine furiose Offenbachiade.
Für ein Neujahrskonzert gelten gänzlich andere Regeln als für den normalen Opernbetrieb, schließlich befindet sich das Publikum in jenem posteuphorischen Zustand, den man gemeinhin Kater nennt. Was da gar nicht geht: alle drei Minuten klatschen, weil irgendjemand zum vierten Mal auf die Bühne kommt. Da weicht der Beifall wie die Perlen aus dem Champagnerglas. Das bekommt auch Henrik Nánási zu spüren, der sein Orchester der Komischen Oper zum Jahresbeginn furios durch eine „Offenbachiade“ jagt.
Am quirligen ungarischen Generalmusikdirektor des Hauses liegt es keinesfalls, dass nicht sofort Cancan in allen Logen getanzt wird und sich das Publikum mit Lust sein eignes Jubelleben erfindet wie in „La Vie Parisienne“. Das wird wohl an der matronigen Moderation von Fräulein Schneider liegen, deren Aufwuchs bei Köln sie fast in eine Nähe zu Offenbach brachte. Der tingelte schon als Kind musizierend durch die Gaststätten der Domstadt. Mit 14 wird „dat Köbesche“, ein begnadeter Cellist, zur Ausbildung nach Paris geschickt – vom Karneval in eine Gesellschaft des andauernden Maskenballs. Natürlich kommen im allgemeinen Taumel die Larven ins Rutschen, dringt mit einem Schwips manche Wahrheit leichter über die Lippen, dämmert hinter der Feierwut die große gesellschaftliche Desillusion.
Offenbach und die Komische Oper harmonieren prächtig
Ja, Offenbach ist der Beweis dafür, dass Unterhaltung und Satire sich bestens verstehen. Am bissigsten kommt das in seinen Duetten und Ensembleszenen raus, auf die sich das Programm ruhig ganz hätte stürzen können. Zumal das Solistenquartett Mirka Wagner, Karolina Gumos, Mirko Roschkowski und Dominik Köninger viel von dem mitbringt, was man zum Anrichten einer Opéra bouffe braucht: Unverfrorenheit und Klemmigkeit, Schlüpfrigkeit und Prüderie. Ein jeder blamiert sich, so gut er kann, bis es heißt: „Tout tourne, tout danse“.
Auf dem Weg dahin wollen Widerstände genommen werden, will man nicht brechen, wie die alkoholisierte Périchole von Karolina Gumos am eigenen Leib erfahren muss. Im Finale des 4. Akts von „La Vie Parisienne“ verläuft die Grenze zwischen Mittun und pikiert Aburteilen mitten durch zwei Paare: Offenbach und die Komische Oper harmonieren hier prächtig. Nachdem er mit seinen unerschrockenen Musikern den Rhein durchwatet und sich Scharmützel mit Pappkameraden geliefert hat, lässt Henrik Nánási beherzt zum Cancan blasen. Der Höllengalopp als Ran- und Rausschmeißer.
Ulrich Amling