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Einer der Lieblingskomponisten: Der gute Ludwig van.
© picture alliance / dpa

Berliner Philharmoniker: Und ewig lockt der Ludwig

Beethoven, Brahms und Bach sind zu All-Time-Favourites der Berliner Philharmoniker geworden, wie eine aktuelle Statistik zeigt. Warum, weiß unser Autor Frederik Hanssen.

In der aktuellen Ausgabe von „128“, dem Magazin der Berliner Philharmoniker, findet sich eine interessante Statistik. Eine Grafik zeigt jene Werke, die das Orchester seit seiner Gründung vor 134 Jahren am häufigsten gespielt hat. Dominiert werden diese Top 20 dabei von zwei Namen: Ludwig van Beethoven und Johannes Brahms.

Mit 373 Aufführungen liegt Beethovens siebte Sinfonie an der Spitze, dicht gefolgt von seiner Fünften, die 366 Mal auf den Pulten der Musiker lag. Dann folgen Brahms’ Zweite (364), die Erioca (325), Brahms’ Erste (308), die Pastorale (265) sowie Brahms Vierte (259). Erst dahinter kommen Richard Strauss (mit „Till Eulenspiegel“ und „Don Juan“) sowie Franz Schubert mit der „Unvollendeten“.

Der erste nicht deutsche Komponist ist Pjotr Tschaikowsky auf Position 13. 176 Mal stand seine Pathétique auf dem Programm. Das einzige Werk aus dem 20. Jahrhundert, das es in die Spitzengruppe geschafft hat, stammt von Claude Debussy. Sein Tonpoem „La Mer“ (Platz 18) wurde allerdings auch schon 1905 uraufgeführt. Dvobáks „Aus der neuen Welt“ und die siebte Sinfonie von Bruckner belegen Platz 19 und 20.

Neue Zugänge zu den alten Meistern

Die all time favorites der Berliner Philharmoniker sind also zwei Meister, deren stilistisches Hauptcharakteristikum die sogenannte „motivisch-thematische Arbeit“ ist. Eine typisch deutsche Form des Umgangs mit den Tönen. Beethoven hat die Methode entwickelt, Brahms dann auf die Spitze getrieben. Die Idee dabei ist, große Formen aus kleinsten Sinneinheiten zu entwickeln. Das „ta-ta-ta-taa“ der Schicksalssinfonie ist das prägnanteste Beispiel dafür. Nur vier Noten, die auf scheinbar simpelste Weise zusammengefügt sind, braucht Beethoven in seiner Fünften, um einen Kopfsatz von genialer Komplexität zu schaffen. Der dabei auch noch unmittelbar emotional berührt.

Beethoven, Brahms – und auf seine Weise selbstverständlich auch der dritte der großen B, Johann Sebastian Bach – setzen auf solides Handwerk, auf streng strukturierte Geistesarbeit und elaborierte Regelwerke, kurz auf Tugenden, wie sie in Richard Wagners „Meistersingern“ beschworen werden. Wobei auch der Bayreuther Musiktheatertitan wusste: „Der Regel Güte daraus man erwägt, dass sie auch mal ’ne Ausnahm’ verträgt.“

In einem Bereich künstlerischer Kreativität, der auf steter Neubefragung eines Kernrepertoires basiert, macht es Orchesterprofis wie auch bei Dirigenten eben besonders viel Spaß, im detailreichen Tonsatz von Beethoven und Brahms nach übersehenen oder lange vernachlässigten Aspekten zu forschen. Weil sich tatsächlich immer wieder andere Zugänge zu diesen hochkomplexen Werken entdecken lassen. Denn dass sich Simon Rattles Interpretation der Sinfonien von jener Daniel Barenboims oder Christian Thielemanns unterscheidet, vermag schließlich auch der Laie intuitiv zu erspüren.

Mozart auf Platz zwei

Ein Name fehlt übrigens unter den Top 20 der Berliner Philharmoniker: Mozart. Was schlicht daran liegt, dass der so viele großartige Werke geschrieben hat. Bei ihm kann sich die Aufmerksamkeit gar nicht auf eine handvoll Partituren fokussieren. Überblickt man alle bei den Philharmonikern aufgeführten Stücke, belegt das Wolferl darum Platz zwei, hinter dem auch hier unschlagbaren Ludwig van.

Und eine Zusatzinformation zur Statistik beruhigt: Ganz so verengt, wie es die Hitparade suggeriert, ist der Blick der Berliner Spitzenmusiker auf die Musikgeschichte nicht. Gemessen am Gesamtrepertoire des Orchesters machen die 20 beliebtesten Werke nur ein Achtel aus – die anderen 87,5 Prozent künden vom Spaß an der klingenden Vielfalt.

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