Young Euro Classic: Traurige Ritter, fallende Sterne
Das Spanische Jugendorchester beeindruckt mit Professionalität und abwechslungsreichem Programm.
In diesem Jahr wird das „Europa“ im Titel des Young Euro Classic Festival besonders ernst genommen. Auch am Sonntag zieht sich das Thema konsequent durch das Konzert des nationalen spanischen Jugendorchesters. Gleich zu Beginn beschwört der Pate des Abends, ZDF-Chefredakteur Peter Frey, auf der Bühne des Konzerthauses die Wichtigkeit eines gemeinsamen, diversen Europas. Die Musiker des Orchesters setzen ihrerseits mit ihren farbigen Krawatten ein regenbogenbuntes Zeichen für Vielfalt.
Das Programm passt perfekt dazu: Die Spanier haben etwas Aktuelles aus ihrer Heimat mitgebracht, ein Stück, das aus deutscher Perspektive auf ihr Nationalepos „Don Quixote“ blickt sowie ein Schlüsselwerk der europäischen Moderne.
„LLueven estrellas en el mar“ der spanischen Komponistin Alicia Díaz de la Fuente verheißt Verträumt-Romantisches, denn der Titel lässt sich mit "Sterne regnen ins Meer" übersetzen. Doch weit gefehlt: Düstere Klangflächen der Streicher, in denen das Meer zu rauschen scheint, werden scharf von Einwürfen der Bläser und des Flügels durchbrochen. Eine Vielzahl von Assoziationen drängt sich auf: Gehört die immer wieder unheilvoll schlagende Glocke einer Uhr an Land oder einem im Nebel verlorenen Schiff? Steht der Titel gar für die europäischen Sterne, die drohen, im Meer des Populismus unterzugehen? Die Verlockung, den Titel frei zu interpretieren, lenkt allerdings vom Wesentlichen ab: der Musik.
Asier Polo spielt technisch beeindruckend
Assoziationen spielen auch beim zweiten Stück des Abends eine wichtige Rolle. Richard Strauss’ „Don Quixote“ lässt aber zum Glück nicht so viel Spielraum für Interpretation: Der namensgebende Ritter von trauriger Gestalt wird durch Asier Polos Cello hörbar, die Solobratschistin gibt seinem Begleiter Sancho Panza die Stimme. Rund um die Zwiesprache der beiden Solisten entfaltet sich die Geschichte. Polos Spiel ist technisch beeindruckend, geht aber manchmal in den etwas übermächtigen Bläsern unter. Immer präsent ist dagegen die junge Frau an der Viola, die dem Sancho Panza mit warmem, vollem Ton Leben einhaucht.
Das Orchester unter der Leitung von Pablo González wirkt durchweg extrem professionell, besonders das Spiel mit laut und leise beherrscht es meisterlich präzise in den feinsten Abstufungen. Beim abschließenden Konzert für Orchester von Bela Bartók dürfen alle Instrumentengruppen noch einmal ihre individuelle Klasse beweisen. Von den melancholischen Melodien der von Bartók zitierten ungarischen Volkslieder bis zum stürmisch rasenden Finale sitzt jeder Ton, fast alle Musiker des Orchesters haben das Potenzial zum Solisten. Tatsächlich waren sowohl Asier Polo als auch Pablo González einst in ihrer Jugend selbst Mitglieder des Orchesters.
Elias Pietsch