Operettenabend mit Jonas Kaufmann: Tenor mit Humor
Als Wagner-Recke wird er gefeiert, als Held italienischer Opern: Jetzt singt Jonas Kaufmann auch noch Operetten. Sein Berlin-Gastspiel in der Philharmonie gelang ihm mühelos - auch wenn kurzzeitig die Gefahr einer Saalrevolte in der Luft lag.
Er kann einfach alles: Ob deutsche Romantik, ob Italianità oder esprit français, ob große Oper oder intimer Liederabend – Jonas Kaufmann brilliert derzeit auf wirklich jedem Gebiet der Gesangskunst. Und jetzt singt er auch noch Operette! Mit derselben hochseriösen künstlerischen Genauigkeit, die er auch im Bereich der ernsten Musik an den Tag legt.
Genau das aber ist das Problem. In der restlos ausverkauften Philharmonie startet Kaufmann am Montag mit „Freunde, das Leben ist lebenswert!“ aus Lehárs „Giuditta“: Sofort füllt sein prachtvoller, baritonal grundierter Tenor den Saal, mühelos setzt er die Spitzentöne – als wären es Siegmunds „Wälse“-Rufe aus der „Walküre“. Dazu trägt er einen schwarzen Anzug mit schwarzer Krawatte – als wäre er zur eigenen Beerdigung eingeladen. Es muss ja nicht gleich der Heesters-Look sein, aber wäre für so eine Leichte-Muse-Gala nicht doch ein Smoking angemessener? Ein wenig Halbseide gehört schließlich einfach dazu bei diesem Genre. Klingen die besten Operetten-Verse nicht immer auch ein wenig nach Heiratsschwindler-Schmeicheleien?
Jonas Kaufmann kann Pianotöne wunderbar samtweich ansetzen und dann betörend aufstrahlen lassen. Kitsch dagegen liegt ihm überhaupt nicht. Er ist vielleicht süß, wenn er beim Singen nicht so genau weiß, wohin mit den Händen, wenn er plötzlich anfängt, bei einem orchestralen Zwischenspiel mitzutanzen. Aber eben nicht sexy, kein Verführer. Vielleicht hätte er zur Vorbereitung ein Wochenendseminar in Komödien-Gestik bei Barrie Kosky belegen sollen – oder sich alternativ bei Max Raabe abschauen, wie sich bühnenfüllende Präsenz mit dem Verzicht auf jegliche Gliedmaßenbewegung verbinden lässt.
Kurz vor der Saalrevolte in der Philharmonie
Die Fans freilich ficht die Frage nach der performativen Operetten-Authentizität wenig an – sie sind gekommen, um eine Party zu feiern. Wenn da nur nicht die Sache mit der Tonanlage wäre. Auf der Höhe von Block F links schnarrt ein Lautsprecher. „Sind Sie sicher, dass das nicht meine Stimme ist?“, versucht es der Tenor mit einem Scherz. Doch die Leute sind stinksauer, schließlich haben sie viel Geld für die Tickets bezahlt. Kurzzeitig liegt die Gefahr einer Saalrevolte in der Luft. Denn da wird Grundsätzliches berührt. „In der Philharmonie braucht man überhaupt keine technische Verstärkung“, entfährt es einer feinen älteren Dame aus Block A. Man möchte ihr zustimmen – zumal nicht recht klar wird, warum wann das Mikrofon wie viel aufgemacht wird. Kaufmanns zu Beginn gemachte Ansage, das geschehe je nachdem, ob der Titel nun für die Bühne oder fürs Kino geschrieben worden sei, wird jedenfalls durch die nachfolgende Regler-Praxis nicht gedeckt.
Kaufman mutiert kurz zum Maestro
Nach der Pause scheinen die Übertragungsprobleme gelöst, ein kollektiver Heiterkeitsmoment tritt ein, als der Sänger kurz zum Maestro mutiert und das Münchner Rundfunkorchester eigenhändig durch den Marsch aus Robert Stolz „Frühjahrsparade“ dirigiert. Drei Zugaben lässt sich der Star entlocken – und wenn er zum definitiven Abschied schließlich Stolz’ „Das Lied ist aus“ anstimmt, wird klar: Dieser Tenor hat einen feinen Humor. „Wir gehen auseinander, morgen singt hier ein and’rer“, dichtet er die Finalstrophe um, „dann wirst Du nicht mehr fragen, warum.“