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Mörder als König. Ulrich Matthes als künftiger Usurpator Macbeth (2. v. r.) und Matthias Neukirch als noch regierender King Duncan (Mitte).
© Imago

Deutsches Theater: "Macebeth" mit Ulrich Matthes: Täter und Träumer

Mörderdolche, Machtangst und Machtgier: Tilman Köhler feiert mit seiner "Macbeth"-Inszenierung am Deutschen Theater Berlin Premiere - mit einem großen Ulrich Matthes in der Hauptrolle.

Wie monströse Kindsköpfe, massige Märchenschädel tauchen die Gesichter der Schauspieler zum ersten Mal ganz weit hinten auf in der tiefsten Tiefe des Raums. Des bösen Traums. Dass Menschen, ganz ferngerückt und nur in Teilen sichtbar, plötzlich näher, bedrängender, sogar überlebensgrößer wirken, ist zunächst ein perspektivischer Trick.

Ein betörender Augenfang des Bühnenbildners Karoly Risz, der für Shakespeares „Macbeth“ im Deutschen Theater Berlin einen riesigen, sich nach hinten bis auf ein kleines schwarzes Guck- und Einfallsloch verjüngenden eckigen Holztrichter geschaffen hat. Es ist der Shakespeare-Schacht und Höllenschlund, der die gesamte, sonst nackte Szene füllt – und in den sich die Akteure des in nichts als Mord, Macht, Selbstzerstörung treibenden Stücks durch jene ferne dunkle Öffnung hineinzwängen. Hereinwälzen, heranrobben, halb nackt ineinander verschlungen, verkeilt, fast erinnernd an die Ouvertüre einst der „Körper“ von Sasha Waltz an der Berliner Schaubühne.

Erst mal ein Theater der Leiber, der Schreie, des Röchelns. Bevor sich die Spieler näher zur Rampe hin erheben, gleichen sie auch lebenden Leichenhaufen. Untote in einem Albtraum, der alsbald den Krieger Macbeth zum Mörder, Sieger und wieder Verlierer macht. Die fünf männlichen Akteure des Anfangs verwandeln sich mithilfe von ein paar Stoffbündeln in die schottischen Adligen, Militärs, in ihre Familien, Schranzen und Schergen. Ihr Hallraum ist der Holzschacht, gegen den sie mitunter anrennen, wild, infantil, hooliganhaft die Wände einschlagen wollen, doch ob König oder Kind sind sie alle gleich gefangen in diesem bezwingenden Raum.

Shakespeares Hexenspuk weckt die Machtgiergeister

Hierin werden sie im schnellen Wechsel auch zu den drei (oder hier auch fünf) Hexen, die Macbeth seinen Aufstieg und im rätselhaften Gleichnis nur halb enthüllten Fall vorhersagen. Als Losung verkünden sie die allen künftigen Diktaturen und Ideologien gemeine Umwertung der Werte: „Foul is fair and fair is foul.“ Shakespeares Hexenspuk weckt so die Machtgiergeister des Titelhelden und wirkt über alles Märchenhafte hinaus wie eine zeitlose Gehirnwäsche.

Bereits im Kostüm, er im lockeren Battledress, sie im hochgeschnürten blauen Abendkleid, robben alsbald auch Ulrich Matthes als Macbeth und später Maren Eggert (die einzige Frau im Spiel) als seine Lady heran. Erreicht Matthes nach der Hexenprophetie den Königshof, kauert er an der Bühnenrampe wie ein Sprinter beim Start, ganz in Stellung, während hinter ihm der leicht tuntige König Duncan (Matthias Neukirch) noch umgirrt und umschlungen wird von seinen Lords; es ist fast eine Laokoongruppe, und die Finger der Mitspieler schlängeln sich um des Herrschers Haupt und deuten jene fragile Krone an, die ihm der vorne noch lauernde Macbeth bald tödlich rauben wird. In Matthes’ dunklen Augen brennt dazu schon die eigene Angst und die noch stärkere Lust.

Tilman Köhlers „Macbeth“ besticht mit schönen Bildern

Es sind solche sinnfälligen, in der Einfachheit manchmal schöne Bilder, mit denen Tilman Köhlers „Macbeth“-Inszenierung besticht. Der 36-jährige Regisseur war 2007 schon mit Bruckners „Krankheit der Jugend“ aus seiner Geburtsstadt Weimar zum Berliner Theatertreffen eingeladen, hat in Dresden, Hannover und in Berlin am Maxim Gorki Theater sowie am DT 2013 Horváths „Jugend ohne Gott“ mit Schauspielschülern inszeniert.

Was beim „Macbeth“ sofort auffällt: Hier macht einer keine selbstdarstellerischen Faxen, gespielt wird eine auf gut zweieinviertel Stunden geraffte, zusammen mit der Dramaturgin Sonja Anders klug eingerichtete Fassung der alten, romantischen Übersetzung von Dorothea Tieck. Es geht wirklich um Shakespeare und keine Eigenkleingeisterei. Wie in der Perspektive des Bühnenbilds kommen einem Ferne und Fremde gerade aus der Entfernung nah, das ist die Präsenz des Theaters und keine falsche, nur fernsehhafte alberne Vertraulichkeit. Ein eher strenger Abend, bei der Premiere mal keine kichernde Claque und am Ende nachdenklicher, statt unbedenklicher Beifall. Auch das lange nicht mehr erlebt.

Große Momente mit Ulrich Matthes

Der Raum als halbe Miete erinnert natürlich an die zugespitzten, pointiert verengten Bretterbühnen in Aufführungen Michael Thalheimers, und das Sieben-Spieler-Modell stammt aus Jürgen Goschs einst skandalisiertem Düsseldorfer „Macbeth“, in dem die Männer freilich ganz nackt waren und das im Stück ständig beschworene Blut in Theaterströmen floss. Doch Köhler beweist durchaus Eigensinn. So wird das Blut an Händen und Dolchen nur unsichtbar sichtbar gespielt. Und es ist einer der großen Momente, wenn Ulrich Matthes’ Macbeth sich seine zwei Mörderdolche links und rechts gegen die eigenen Schläfen richtet: keine Gewissenswürmer, aber die Spitzen wider der Machtangst und Machtgier, des Albtraums und des für ihn hoffnungslosen Erwachens.

Manchmal wirkt Matthes als selbstreflexiver Triebtäter etwas monoton. Wird ihm der Tod seiner irre gewordenen Komplizin und Gattin gemeldet, kommt das „Sie hätte später sterben können“, statt als böswitziger Sarkasmus, so innig getragen wie gleich darauf die berühmte Sentenz, dass alles Leben nur ein Schattenspiel, vollführt von einem armen Komödianten sei. Auch fehlt’s am erotischen, irgend begehrenden, zu Taten verführenden Zusammenspiel mit Maren Eggert, die selber bloß eine fahle Figurine der Lady bleibt.

Am Ende dann: kein langes Fechten und Sterben, nur ein Handauflegen, ein Augenschließen. Das ist gut. Es reicht. Zum Augenöffnen nach dem bösen Traum.

Wieder am 25., 28. 3. und 7., 16., 24. 4.

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