Kultur und Stadtgeschichte: Neuer Bildband über Berliner Theaterhäuser
Krieg und Katastrophen, Umbau und Wandel, Teilung und Wiedervereinigung – all das bleibt ablesbar an der Berliner Theaterarchitektur. Der schmale Bildband von Monika Bauert und Ulf Buschmann erzählt Stadtgeschichte anhand Berliner Theaterbauten.
Die erste öffentliche Aufführung von Gerhart Hauptmanns „Die Weber“ war im September 1894 im Deutschen Theater. Die Zensur hatte das Sozialdrama verbieten wollen, das Preußische Oberverwaltungsgericht hob das Verbot auf. Und Wilhelm II. ließ die Kaiserloge im Deutschen Theater kündigen. Man kann dies als Geburtsstunde des modernen Theaters in Berlin bezeichnen – bald würde Max Reinhardt kommen und mit ihm und seinem internationalen, jungen Ensemble auch die radikale ästhetische Neuerung. Das Berliner Bühnenleben entspringt nach deutscher Tradition dem Hof. 1776 eröffnet auf dem Gendarmenmarkt das Französische Komödienhaus, ein königliches Theater. 1802 wird dort das Neue Nationaltheater eingeweiht, August Wilhelm Iffland ist der Direktor, 1817 brennt das Haus ab. Vier Jahre später steht das Königliche Schauspielhaus von Karl Friedrich Schinkel.
Die Staatsoper ist der Flughafen unten den Berliner Bühnen.
Theatergeschichte ist Stadtgeschichte. Krieg und Katastrophen, Umbau und Wandel, Teilung und Wiedervereinigung – all das bleibt ablesbar an der Berliner Theaterarchitektur. Der schmale Bildband von Monika Bauert und Ulf Buschmann kann die vielschichtige Historie nur knapp beleuchten. Allein die Staatsoper – 1742 eröffnet – füllt Bände. 1888 hatte sie die modernste elektrische Beleuchtungsanlage der Welt. Und jetzt wird restauriert und renoviert und gefummelt, seit Jahren. Die Staatsoper ist der Flughafen unten den Berliner Bühnen. Sie haben alle viel durchgemacht: das Berliner Ensemble, einst Theater am Schiffbauerdamm. Der Friedrichstadtpalast, der einmal an anderer Stelle als heute stand, nämlich neben dem BE. Zuvor war dort das Große Schauspielhaus – ein Amphitheater des 20. Jahrhunderts.
Der historische Baubestand ist durch Investitionspläne bedroht
Die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz feierte kürzlich den 100. Geburtstag des Hauses. Ihr Architekt Oskar Kaufmann hat im Westen das Renaissance-Theater und das Hebbel-Theater erbaut, zwei Schmuckstücke. Und Umbauten, immer wieder. Am Kurfürstendamm wurde aus Erich Mendelsohns Kino „Universum“ 1980 die Schaubühne. Der Architekt des neuen Theatergebäudes war der im Januar verstorbene Jürgen Sawade. Wie es in der Komödie und im Theater am Kurfürstendamm weiter geht, ist ungewiss. Der historische Baubestand ist durch Investitionspläne bedroht. Schön ist das kurze Kapitel, das sich den untergegangenen Theatern widmet.
Das Apollo Theater an der Friedrichstraße, die Kroll-Oper im Tiergarten, das bereits 1891 abgerissene Victoriatheater in der Münzstraße, in dem Jules Vernes „Reise um die Welt in 80 Tagen“ aufgeführt wurde, mit höchstem technischen Aufwand, das Wallner-Theater, in dem Lotte Lenya auftrat – man kann beim Blättern melancholisch werden. Berlin war einmal in einem Maße eine Theaterstadt, wie man es sich kaum mehr vorstellen kann. Berlin ist es immer noch, wobei die Reise hier auch nach Potsdam geht. Je näher das Buch aber der Gegenwart kommt, desto ungenauer sind die Angaben zum künstlerischen Profil der Häuser. Was komplett fehlt, ist ein Ausflug in die Freie Szene. Dort gibt es auch Bühnen, die seit Jahren Altes und Neues transportieren, zum Beispiel die Sophiensäle. Es fehlt auch ein Blick in die alte Schaubühne am Halleschen Ufer, heute HAU 2, dort wurde Welttheatergeschichte geschrieben. Und es fehlt peinlicherweise das weltberühmte Grips-Theater.
Monika Bauert , Ulf Buschmann (Fotos): Berliner Theater. Berlin Story Verlag. 128 Seiten, 190 Fotos, 19,95 Euro.
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