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Taylor Swift macht auch auf ihrem achten Album "Folklore" Pop mit Ausrufezeichen.
© Beth Garrabrant/Universal

Neues Album von Taylor Swift: Süß und federleicht wie ein vergangener Liebessommer

Über Nacht bringt Taylor Swift ihr achtes Album "Folklore" heraus. Es klingt wie eine Rückbesinnung auf ihre frühen Jahre als Countrystar.

Taylor Swift hat schon viele traurige Songs geschrieben. Einer der traurigsten fand sich auf ihrem Debütalbum, auch wenn die krachige Melodie sich alle Mühe gab, das zu verbergen: Er hieß „Should've Said No“ und war eine ebenso vorwurfsvolle wie bittere Abrechnung mit jemanden, der ganz offenbar regelmäßig ein fremdes Bett heimsuchte.

14 Jahre später haben sich die Verhältnisse umgekehrt, nun ist es die Protagonistin des Liedes selbst, die es mit der Treue nicht so genau nimmt. In „Illicit Affairs“, einem der besten Songs ihres kurzfristig angekündigten neuen Albums „Folklore“, wird der Themenkomplex "Affäre" untersucht wie ein totes Tier auf dem Seziertisch. „It dies a million little times“, singt die Amerikanerin, später: „You taught me a secret language / I can’t speak with anyone else.“

Die Aufnahmen entstanden während der Coronakrise

Noch einmal im Schnelldurchlauf: In der Zeit, die zwischen den beiden Songs liegt, wurde Taylor Swift vom Country-Backfisch zu einem der größten Popstars der Gegenwart. Von ihren sieben Studioalben – „1989“ von 2014 ist ihr bestes – verkaufte sie über 50 Millionen Exemplare, sie erhielt zehn Grammys. Die Musik entwickelte sie dabei behutsam weiter; spielte zuletzt einen sehr modernen, aber nie überzüchteten Pop, der Ambivalenzen ebenso zulässt wie gnadenlose Überhöhungen - etwa im pastellbunten Revue-Video zur Single „Me!“ von dem im vergangenen Jahr veröffentlichten Album „Lover“.

„Folklore“ entstand während der Coronakrise, für die Aufnahmen griff Taylor Swift insbesondere auf zwei Kollegen zurück: Elf der 16 Songs entstanden gemeinsam mit Aaron Dessner, bekannt als Mitglied der amerikanischen Rockband The National. Wobei diese Zuschreibung etwas in die Irre führt: Dessner dekonstruiert Rockmusik eher.

Er brachte weitere Bekannte mit ins Spiel. Sein Bruder Bryce, ebenfalls bei The National, schrieb die Arrangements zu einigen Songs. Schlagzeuger Bryan Devendorf peppte einen mit Drumbeats auf, während Justin Vernon, besser bekannt als Bon Iver zu „Exile“ die Vocals beisteuert. Der zweite musikalische Mitstreiter ist ein alter Bekannter: Jack Antonoff hat in der Vergangenheit nicht nur viel mit Swift, sondern auch mit Pink, Lorde, St. Vincent und Lana Del Rey gearbeitet.

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Auf den ersten Blick sind das zwei Antipoden. Einerseits Dessner und seine Freunde, die Bescheidwisser des amerikanischen Indierocks, immer hellwach, involviert in zahllose Seitenprojekte, deren Triebfeder oft kaum kommerzielle Gedanken sein dürften. Eines davon ist übrigens das Berliner „People“-Festival. Und andererseits der Grammy-dekorierte Superproduzent Antonoff aus dem globalen Pop-Betrieb.

 Zwischen Waldhütte und Pop-Künstlichkeit

Erstaunlicherweise führt das im Sound des Albums zu keinerlei Kollisionen, auch weil sich die beiden Musiker in ihren Kompositionen um eine gewisse Waldhüttenhaftigkeit bemühen und auf allzu augenscheinlich Artifizielles verzichten. Außerdem ist Taylor Swift als Texterin so blitzgescheit, als Sängerin so stark, dass im Herz der Songs immer erst das ihre und erst in zweiter Instanz das ihrer musikalischen Partner zum Ausdruck kommt.

„August“ etwa, ein Antonoff-Song, tönt süß und federleicht. Was in Erinnerung bleibt, sind aber nicht die Streicher, sondern die Art, wie Swift ihre Stimme über die Instrumente fliegen lässt, wenn sie von einem vergangenen Liebessommer erzählt.

Und in einem Song wie „The Last Great American Dynasty“ mit seinem stolpernden Beat kann man durchaus auch Dessners Handschrift erkennen; was am Ende aber hängen bleibt, ist die Geschichte der Philantropin Rebekah Harkness, die der Song erzählt. Lediglich die Art, wie Justin Vernon in „Exile“ seine Stimme in den Himmel schiebt (die Ansicht, dass Vernon ein begnadeter Sänger ist, teilen Taylor Swift und Kanye West ausnahmsweise), ist so distinktiv, dass man sich kurz in einem Bon-Iver-Song wähnt.

Swift flucht neuerdings in ihren Songs 

„I’m doing good, I’m on some new shit. Saying yes instead of no“, heißt es im Opener „the 1“. In der Tat ist die Platte von Neugier geprägt, Swift lässt sich bisweilen in die Songs fallen. Zum ersten Mal hat man den Eindruck, dass sie sich den Marktmechanismen vielleicht nicht direkt entzieht, sie aber zumindest nicht stets mitdenkt. Bei ihren bisherigen Alben war die Veröffentlichung sorgfältig choreografiert, „Folklore“ erscheint nun quasi über Nacht.

Geflucht hat Swift in ihrer Musik bisher auch nur in milder Form, diesmal hören wir in „Betty“, einem kleinen, an ihre Anfänge erinnernden Folkrock-Song mit schiefer Mundharmonika, plötzlich das F-Wort. Es klingt gut aus ihrem Mund - und auch nicht besonders traurig.

Vor allem aber: Wo sie bisher bei allen Qualitäten stets darauf achtete, dass ihre Songs POP (groß geschrieben!) sind, gestattet sie nun auch Brüche. Das macht „Folklore“ im Jahr 2020 zu einer interessanten Taylor-Swift-Platte, und wieder muss man an einen der alten Songs denken. In „We Are Never Ever Getting Back Together“ von 2012 erzählte Swift noch von einem Ex-Lover und dessen Liebe zu einer „Indie Record that’s much cooler than mine". Gut möglich, dass „Folklore“ acht Jahre später auch einen Platz in seinem Plattenregal finden wird.
Taylor Swift: Folklore (Taylor Swift/Universal)

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