LGBTI statt Alt-Right: Mit „Lover“ wird Taylor Swift politisch
Pop gegen Donald Trump: Auf ihrem neuen Album „Lover“ positioniert sich Taylor Swift gegen Diskriminierung und ihren einstigen Fan Trump.
In Taylor Swifts Universum wehen neuerdings Regenbogenflaggen. Das einstige Postergirl der Alt-Right-Bewegung äußert sich nach Jahren der Stille politisch – und lässt keine Zweifel daran, für welche Seite. In dem quietschbunten Video zu „You Need To Calm Down“ von ihrem siebten Album „Lover“, das gerade erschienen ist, hat so ziemlich jede Größe der amerikanischen LGBTI-Community einen Auftritt.
Die Jungs von „Queer Eye“, RuPaul und seine Drag Queens oder die lesbische Moderatorin Ellen DeGeneres sind mit dabei. Auch die Lyrics sind explizit queerfreundlich. „Why are you mad / when you could be GLAAD“ etwa ist eine Anspielung auf die gemeinnützige Organisation „Gay and Lesbian Alliance Against Defamation“. Eine kleine Gruppe Protestierender wird im Video wie Steinzeitmenschen dargestellt. Die Botschaft könnte nicht klarer sein: Hass ist von gestern.
Subtilität war noch nie die Stärke von Taylor Swift, die sich mit Musik und Image vor allem an ein jüngeres Publikum richtet. An sich ist die Unterstützung der LGBTI-Community durch Popstars auch nichts Besonderes: Katy Perry, Rihanna oder Cardi B äußern sich seit langem explizit politisch, letztere hat sich gerade mit dem Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders getroffen. Doch Swift blieb selbst bei der Trump-Wahl von 2016 stumm, während sich fast die gesamte Unterhaltungsbranche hinter Clinton stellte. So wurde die 29-Jährige, die 2006 als Country-Sängerin ihren Durchbruch hatte, zum Star der Alt-Right-Bewegung.
Das blonde, blauäugige „All-American-Girl“ war die perfekte Projektionsfläche für Trump-Anhänger. Kritiker warfen ihr damals vor, sich nicht öffentlich von der Rechten zu distanzieren, um keine kaufkräftigen Fans zu verlieren. Vor den Zwischenwahlen 2018 rief Swift dann auf Instagram erstmals zur Wahl von demokratischen Kandidaten in ihrem Heimatstaat Tennessee auf. Sie schrieb über die Diskriminierung von queeren Menschen und „systemischen Rassismus“ im Land, der bekämpft werden müsse. Prompt meldete sich Trump auf Twitter zu Wort und sagte, dass er Taylors Musik nun „25 Prozent weniger“ mögen würde. Mit dem neuen Album „Lover“ wird diese Zahl wohl noch weiter steigen.
Swift legte sich schon mit Apple und Spotify an
Explizit politisch ist darauf zwar nur „You Need To Calm Down“, doch kollaboriert Swift auf dem Album auch mit den Dixie Chicks. Die Frauenband ist einer der wenigen US-Country-Acts, der sich schon zu Bush-Zeiten öffentlich gegen die Republikaner stellte und dafür viel Hass auf sich gezogen hat. Die gemeinsame Gitarrenballade „Soon You’ll Get Better“, in der es um die Krebserkrankung ihrer Mutter geht, erinnert dann auch an Swifts Country-Wurzeln.
In „The Man“ imaginiert Swift ein Leben als Mann. Es geht dabei auch um ihre Sonderstellung in der Popindustrie. „Ich wäre ein angstfreier Anführer / Ich wäre ein Alpha-Typ“, heißt es in dem Lied. Immer wieder setzte sich die Sängerin für mehr Rechte für Musiker ein und legte sich dabei mit großen Konzernen wie Apple und Spotify an. Gerade kämpft Swift mit dem Musikmogul Scooter Braun um die Rechte an ihren ersten Alben. Braun hatte sie gegen ihren Willen gekauft, Swift kündigte jetzt an, sämtliche Alben noch einmal aufzunehmen.
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Musikalisch ist „Lover“ nicht aufsehenerregend. Swift macht, was sie am besten kann: solide Popmusik, die vor allem Kinder und Teenager anspricht. Einige Songs stechen dabei heraus. „The Archer“ mit seinen Achtziger-Jahre-Synthesizer-Beats und die Midtempo-Ballade „False God“, in der Swift über eine schwierige Liebe singt, klingen cooler und erwachsener als der Rest des Albums. An den Songs hat Swift mit Jack Antonoff gearbeitet, der auch für Lorde und Lana Del Rey produziert.
2017 galt Swift als falsche Schlange
Neben ihrer politischen Botschaft ist die zweite wichtige Nachricht des Albums, dass Taylor Swift keine Schlange mehr sein will. Zu Beginn des Videos zu „ME!“, der ersten Singleauskopplung von „Lover“, löst sich eine rosa Schlange in viele pastellfarbene Schmetterlinge auf. Rosarot geht es dann auch weiter. Swift tanzt gemeinsam mit ihrem Duettpartner Brendon Urie von Panic! at the Disco durch disneyhaft anmutende Kulissen und singt vom gemeinsamen Liebesglück, unterlegt mit klassischen Bubblegum-Pop-Beats. Ein Kontrast zu der ersten Single ihres letzten Albums „Reputation“ von 2017: Das Video zu „Look What You Made Me Do“ war düster, das Symbol der Schlange noch allgegenwärtig.
Viele sahen die Sängerin damals so: als falsche Schlange, die sich selbst zum Opfer stilisiert. Der Grund war eine Fehde mit dem Rapper Kanye West und Social-Media-Queen Kim Kardashian, die bereits seit Jahren schwelte. 2009 machte sich West unbeliebt, als er Taylor Swift auf der Bühne der MTV Video Music Awards ihren Preis für das beste Video wegnahm und verkündete, Beyoncé hätte ihn mehr verdient. Selbst Obama bezeichnete ihn damals als „Jackass“, also Esel oder Dummkopf.
Donald Trump ist wohl kein Swift-Fan mehr
West verarbeitete die Geschichte auf seine eigene Art. In seinem Song „Famous“ von 2016 rappte er, dass Taylor Swift und er noch Sex haben könnten, denn er habe die „Bitch“ schließlich berühmt gemacht. Swift empörte sich daraufhin öffentlich. Auftritt Kim Kardashian, die ihren Ehemann verteidigte, indem sie ein Video online stellte, wo Swift dem Rapper die Zeile absegnet – allerdings ohne das Wort „Bitch“. Daraufhin fluteten Kardashians Fans, der auf Instagram fast 150 Millionen Menschen folgen, Taylor Swifts Social Media Accounts mit Schlangen-Emojis. Swift bezeichnete diese Zeit später als ihren „Tiefpunkt“..
Dass sie sich 2016 nicht politisch äußerte, begründete Swift in einem „Vogue“-Interview jetzt mit ihrem damaligen Image-Schaden. Viele hätten sie als kalkulierte Lügnerin gesehen – deswegen habe sie Clinton mit ihrer Unterstützung eher geschadet. Ob diese Begründung glaubwürdig ist, sei dahingestellt. Unbestreitbar ist, dass Taylor Swift einer der einflussreichsten Popstars der Welt ist und vor allem junge, bisher unpolitische Menschen ansprechen kann. Nachdem sie 2018 auf Instagram ihren politischen Aufruf veröffentlichte, registrierten sich laut der Seite vote.org in den ersten 24 Stunden 65.000 Menschen zur Wahl. Das dürfte dem ehemaligen Swift-Fan Donald Trump gar nicht gefallen.