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Für immer lässig. Stephen Malkmus (r.) mit seinen Jicks.
© Leah Nash

Stephen Malkmus: Streber müssen draußen bleiben

Rock war nie ihre Religion, sondern Ironie: Das zauberhafte neue Album „Wig Out At Jagbags“ von Stephen Malkmus & The Jicks.

Das passiert in letzter Zeit häufiger: Dass man die großen Indierock-Helden der neunziger Jahre einfach so aus den Augen verliert, sich ihrer nicht mal mehr erinnert. Und dass man zwar kurz aufmerkt, wenn es wieder eine Comeback-Tour gibt oder ein Jubiläumsalbum mit rarem, unveröffentlichtem oder neu eingespieltem alten Songmaterial, aber das weitere, tatsächlich originäre Schaffen (solo, in anderen Bands) komplett ignoriert.

In vielen Fällen ist das ganz richtig so, in einigen aber auch ein großer Fehler, besonders in dem des ehemaligen Pavement-Vorturners Stephen Malkmus. Denn der hat mit seinen Jicks gerade ein zauberhaftes neues Album aufgenommen, „Wig Out At Jagbags“. Ein Album, das aufs Beste demonstriert, wie viel Spaß Indierock 2014 noch bereiten kann, wie viel Bewahrenswertes da so drinsteckt.

Bei Malkmus war die Aufmerksamkeitsschwelle schon so hoch angesetzt, dass kaum jemand groß davon Notiz genommen hatte, als dieser sich mit Frau und Kindern zwei Jahre lang in Deutschland niederließ. In Berlin genoss Malkmus es, komplett abtauchen zu können, und in Köln spielte er mit der Kölner Band Von Spar auf dem Weekend-Festival das Can-Album „Ege Bamyasi“ nach. Der Auftritt wurde schließlich auch als Live-Album veröffentlicht. Als Inspiration für das neue, inzwischen schon sechste Album in der Post-Pavement-Ära gibt Stephen Malkmus folglich als Allererstes Köln und seine alten und neuen Sounds von Can bis Gas als Inspiration an, aber auch „Indie guys trying to sound Memphis“ und „Imagine Weezer/Chili Peppers oder „inactivity“ und „Charlottenburg“.

Das mag so gewesen sein. Das klingt jedoch in dieser doch sehr weitgespannten Aufzählung erst mal so, als sei Stephen Malkmus immer noch der alte Rock-Ironiker, als der er mit seiner Band Pavement bekannt geworden ist. „Fight this generation“ hieß einer der Slogans, mit denen Pavement Mitte der neunziger Jahre dem alternativen Rockzirkus die Stirn boten, und ihre Songs waren lieber kalkuliert als authentisch, lieber kaputt als eine Einheit, lieber schlau als erdig. Nicht Rock war die Religion, sondern Ironie. Und wenn Pavement aus Versehen doch einen Hit geschrieben hatten, sagen wir, so wenige waren es nämlich gar nicht: „Summer Babe“, „Gold Soundz“ oder „Shady Lane“, dann bauten sie zumindest immer noch ein paar Brummeleien mit rein, auf dass es nicht allzu organisch klänge. Ein Malkmus-Album also, das auffällige Can- und neue Kölner Elektronik-Einflüsse oder Spuren von Memphis Soul aufweist, das wäre natürlich was – dem ist aber mitnichten so.

Richtig schöne und swingende Songs

„Wig Out At Jagbags“ klingt wie ein höchst entspanntes Pavement-Album, wie ein typisches Stephen-Malkmus-Album, wie das beste The-Jicks-Album seit dem Pavement-Split 1999. Das liegt natürlich an der unverwechselbaren Stimme von Malkmus, dieser fleckig-goldtönenden Stimme, die sich noch immer so schön smart in bestimmte Höhen krächzen kann; und das liegt auch daran, dass man vieles von dem, was Stephen Malkmus hier so singt, nicht allzu ernst nehmen muss. Angefangen bei dem kaum übersetzbaren Albumtitel, der auch von den ebenfalls weiterhin höchst umtriebigen Kollegen von Guided By Voices stammen könnte und laut Malkmus auch „Morissey’s Trainwrecked Daughter“ oder „New Yoga for Cleavage Hounds“ hätte lauten können; bis hin zu den kleinen Geschichten über den „Chartjunk“ oder „Surreal Teenagers“. Oder was bedeutet: „We lived on Tennyson and venison and The Grateful Dead/ It was Mudhoney summer, Torch of mystic, Double Bummer“?

Richtig schön aber sind die mitunter geradezu swingenden Songs, in denen sich Malkmus und seine drei Mitstreiter wirklich nicht darum scheren, ob diese nun zu nett, zu melodiös und womöglich gar nach Hit (bei Pavement hatte diese Anti-Haltung ja immer auch etwas Krampfhaftes) oder gar unzeitgemäß klingen können. Indierock, du alter Lappen! Hat man das nervige, auf sehr fiesen Siebziger-Gitarrenriffs basierende Eröffnungsstück „Planetary Motion“ überstanden, folgt ein kleiner Hit nach dem anderen, vom jubilierenden „Lariat“ über das bohrende, im Refrain von Bassistin Joanna Bolme mitgesungene „Shibboleth“ bis hin zu den Stücken „J Smoov“ (wird ganz sacht von dezenten Bläsern begleitet) und „Chartjunk“ (das mit alles andere als dezenten Bläsern bestückt ist). Und da ist gerade erst die Hälfte des Albums um.

Früher hätte es viel Zynismus und Ironie im Rockspiel gegeben, hat Malkmus kürzlich in einem Interview gesagt. Die Bands damals seien aber auch idealistischer und unschuldiger als die heutige Indie- und Rockgeneration gewesen, diese würde schon sehr sauber klingen. Das tut Malkmus mit seinen Jicks trotz aller Schönheit in den Songs bei weitem nicht. Und am auffallendsten an „Wig Out At Jagbags“ ist schließlich, gerade im Vergleich zu erfolgreichen zeitgenössischen Rockbands von Arcade Fire bis Vampire Weekend, dass es frei von jedem Strebertum ist; dass hier nicht einmal der Versuch zu erkennen ist, groß mit Zitaten zu wedeln oder gar irgendwelche Rockepochen nachzubauen. Auch das ist eine Haltung, auch das ist etwas, dass man Stephen Malkmus und den Jicks erst mal nachmachen muss.
„Wig Out At Jagbags“ von Stephen Malkmus & The Jicks erscheint bei Domino/Rough Trade. Konzert: 27.1., 20 Uhr, Postbahnhof am Ostbahnhof.

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