„Im Zweifel glücklich“ mit Ben Stiller: Status: männlich, nervig, weiß
Neidisch auf den Erfolg des eigenen Sohnes: In Mike Whites Komödie „Im Zweifel glücklich“ spielt Ben Stiller einen Vater, der mit der Welt im Clinch liegt.
Dieser Papa ist nicht der Beste. Wenn Brad Sloan seinen Sohn betrachtet, lösen sich in seinem Blick viele widersprüchliche Gefühle in schneller Folge ab: Stolz, Sentimentalität, Zweifel – Neid. Dazu hört man den Sound selbstbezüglicher Larmoyanz als inneren Monolog. So unmittelbar in diese Gedankenwelt einzutauchen, ist eine quälende Erfahrung. Mike Whites Komödie „Im Zweifel glücklich“ setzt das Publikum diesem Gefühl schonungslos aus. Ein Vater, der seinem Teenager-Sohn nicht den Erfolg gönnt? Der mit seiner Frau nachts darüber diskutiert, ob nicht sie nach dem Tod ihres Vaters das Haus der Familie erben sollte? Nach dieser Einführung ist es für Brad ein langer Weg zum Sympathieträger.
Ben Stillers Filmografie ist voll von unangenehmen Zeitgenossen, die ihre Unsicherheit hinter einem passiv-aggressiven Panzer verstecken. Stiller versteht es wie kaum ein zweiter, dieses soziale Defizit auf den komischen Effekt hin zu spielen. In „Greenberg“ von Noah Baumbach nimmt die Neurose der Titelfigur krankhafte Züge an, nur abgedämpft von Greta Gerwigs entwaffnend gutherzigem Optimismus. In den „Focker“-Filmen hat er als „männliche Krankenschwester“ gegenüber seinem künftigen Schwiegervater Robert de Niro noch deutlich schwerere Hürden aus dem Weg zu räumen.
Immer am Vergleichen: Was machen die anderen?
Brad Sloan schleppt in „Im Zweifel glücklich“ einen besonders ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex mit sich herum. Alle seine College-Freunde haben es weit gebracht: Craig (Michael Sheen) ist ein gefragter Politanalyst, Billy (Jemaine Clement) hat sein Tech-Imperium verkauft und lebt auf Hawaii mit zwei Frauen im vorzeitigen Ruhestand, Jason (Luke Wilson) ist Hedgefonds-Manager mit Privatjet, Nick, gespielt vom Regisseur selbst, eine Hollywood-Celebrity. Und Brad? Der berät NGOs bei ihren Social-Media-Auftritten, seine Frau Melanie (Jenna Fischer) arbeitet für die Regierung. Ob Melanie mit ihrer Selbstzufriedenheit vielleicht seine Ambitionen untergraben habe, fragt er sich einmal. Social-Media-Experte Brad ist eine Art wandelnder Statusreport. Immer am Checken, immer am Vergleichen. Was machen die anderen gerade? Whites Film heißt im englischen Original passenderweise „Brad’s Status“. It’s complicated.
Einziger Hoffnungsschimmer ist Sohn Troy (Austin Abrams), der gerne Musik studieren würde und die freie Wahl zwischen den Ivy-League-Universitäten hat. (Brad hat es nie nach Harvard geschafft) „Im Zweifel glücklich“ folgt im Wesentlichen den Konventionen des Roadmovies, der Vater begleitet seinen Sohn zu den Vorstellungsgesprächen an der Ostküste. Schon beim Upgrade der Billigflugtickets werden Brad von der freundlichen Frau am Schalter seine Grenzen aufgezeigt. Auf jeden Versuch der Selbstoptimierung folgt das nächste Scheitern im kleinen Stile, die Rückschläge entwickeln ein erhebliches Frustpotenzial. In den grundsätzlichen Support für Troy mischen sich zunehmend hässliche Charakterzüge.
Regisseur und Drehbuchautor Mike White hat sich auf Geschichten spezialisiert, die hart an der Schmerzgrenze operieren: mit Protagonisten, die in ihrer sozialen, aber stets gut gemeinten Unbedarftheit ihrer Umwelt gewaltig auf den Geist gehen. Sein Regiedebüt „Chuck & Buck“, eine schwarze Komödie über zwei Jugendfreunde, von denen sich einer als Stalker entpuppt, kippte gegen Ende ins offen Pathologische. In der HBO-Serie „Enlightened“, Whites Geniestreich, spielt die grandiose Laura Dern eine toughe Managerin, die sich nach einem Burn-out als penetrante Weltverbesserin neu erfindet.
Brad ist uns vertrauter, als einem lieb sein kann
„Im Zweifel glücklich“ variiert Whites Lieblingsthemen auf verhältnismäßig sanfte Weise. Zwar möchte man auch mit Brad nicht länger als zehn Minuten in einem Raum verbringen. Aber sein nicht immer reibungsloses Zusammenraufen mit Troy, seine abschweifenden Monologe zeigen mehr Nuancen in Stillers Figur als krankhaften Narzissmus. Brad ist uns in manchen seiner seltsamen Gedankenspiele vertrauter als einem lieb sein kann.
Ausgerechnet eine Freundin Troys, ein Mädchen indischer Herkunft, weist Brad in seiner verlängerten Adoleszenz schließlich auf seine zynische Jämmerlichkeit hin, sie hält ihm seine Privilegien als weißer Mann vor. Solche Interventionen sind willkommene Einlassungen in eine hermetische Gedankenwelt, sie fungieren in „Im Zweifel glücklich“ als Frischluftzufuhr und Druckabbau.
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