Anne-Sophie Mutter spielt Penderecki: Solo für den Meister
RSB-Debüt für Anne-Sophie Mutter: Die Violinistin spielt in der Philharmonie ein Konzert, das Krzysztof Penderecki 1995 für sie geschrieben hat.
Noch wenige Minuten bis zum Konzertbeginn. Ein schneller Blick über die Schulter, dann noch ein ungläubiger hinterher – tatsächlich, der Herr mit dem weißen Vollbart, der sich dort gerade niedergelassen hat, ist Krzysztof Penderecki! Dabei sollte er doch eigentlich gleich vorn auf dem Podium das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin dirigieren.
Aber wer in wenigen Monaten seinen 85. Geburtstag feiert und seit mehr als 50 Jahren als einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Komponisten unzählige Aufführungen geleitet hat, kann sich auch einmal zurücklehnen und den Abend an seine Assistenten abgeben: an Maciej Tworek bei Pendereckis 2. Violinkonzert, später wird Andrej Boreyko mit großer Übersicht die Sinfonie Nr. 15 von Dmitri Schostakowitsch dirigieren.
Mit Anne-Sophie Mutter steht nun die Solistin auf der Bühne, für die Penderecki 1995 sein Violinkonzert geschrieben hat. Die Geigerin nennt es ein „symphonisches Werk mit Solovioline“, bei dem sie im Unterschied zu einem herkömmlichen Violinkonzert im ständigen Dialog mit dem Orchester sei – hier zum allerersten Mal mit dem RSB. Unterstützt von dessen konzentrierter Präzision gelingen Mutter die rhythmisch-vertrackten Wechselspiele zwischen Sologeige und Orchester bestens. In sechs Sätzen ohne Pausen gelangt man vom tiefen Anfangston „a“ zu einem gemeinsamen Ende auf „d“.
Penderecki lobt Mutters Spiel
Im Laufe dieser ausgereiften Klangkomposition muss die Geigerin höchste Schwierigkeitsgrade bewältigen: Doppel- und Dreifachgriffe in extremer Höhe und eine Kadenz, in der jede nur denkbare Spieltechnik gefordert wird – Penderecki hat in seiner Jugend selbst Violine studiert und weiß, wie das ausdrucksstärkste aller Instrumente ausgereizt wird. Hat Alban Berg 1935 mit seinem Violinkonzert den frühen Ausgangspunkt markiert, so ist Penderecki 1995 zweifellos ein Höhepunkt dieser Gattung im 20. Jahrhundert gelungen.
Pendereckis Kunst ist dabei ohne seinen Bezug zu Schostakowitsch kaum denkbar. Nicht verwunderlich, dass der polnische Maestro deshalb auch nach der Pause wieder seinen Platz im Saal einnimmt und sich die hervorragend gespielte 15. Sinfonie von Schostakowitsch nicht entgehen lässt. Vorher noch schnell gefragt, wie ihm das Spiel der Geigerin gefallen habe: „Sehr gut, sehr reif“, lautet Pendereckis Antwort, der man nichts hinzufügen muss.
Hans Ackermann