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Die Musiker des "Lutoslawski Quartets" aus Polen stellen ein neues Werk von Krzysztof Meyer in Gohrisch vor.
© Oliver Killing

Die internationalen Schostakowitsch Tage: Schostakowitsch mit Pilzen

In Gohrisch, mitten im Elbsandsteingebirge, gibt es das einzige internationale Festival für die Musik des sowjetischen Großmeisters mit hochkarätigen Gästen.

Umgeben von malerischen Tafelbergen beglückender Natur, weit droben über dem tief eingeschnittenen Elbtal, liegt mitten in der sandsteinernen Sächsischen Schweiz der hübsche Kurort Gohrisch. Zwei Mal erholte sich Dmitri Schostakowitsch hier auf Einladung der DDR-Regierung in deren Gästehaus. Eine nach ihm benannte Straße, ein Denkmal und ein engagierter Verein erinnern daran auf Schritt und Tritt in dem kleinen Ort, der sich für die mittlerweile zur Tradition gewordenen Schostakowitsch Tage rührend und professionell zur gleichen Zeit herausputzt. Noch vom vor sieben Jahren verstorbenen Komponistenfreund Kurt Sanderling gegründet, entwickelte sich das Festival unter den Fittichen der Sächsischen Staatskapelle Dresden zu einem Kleinod inmitten herrlicher Umgebung.

Im mittlerweile neunten Jahr organisieren Enthusiasten der Sächsischen Staatskapelle das einzige internationale Festival für die Musik des sowjetischen Großmeisters. Dem Anspruch, alljährlich dramaturgisch kluge Verbindungen Schostakowitschs zu anderen berühmten Komponisten herzustellen, werden die Veranstalter in diesem Sommer besonders gerecht. War Mieczyslaw Weinberg bereits im vergangenen Jahr Thema, kümmern sich die Gohrischer diesmal schwerpunktmäßig um drei andere polnische Komponisten. Denn wenige Monate, bevor der berühmte Russe in der Sächsischen Schweiz sein achtes Streichquartett komponierte, war er 1959 einer der prominentesten Besucher des Warschauer Herbstes und traf dort mit führenden Kollegen der polnischen Avantgarde zusammen. Witold Lutoslawski, Krzysztof Penderecki und Krzysztof Meyer stehen dabei im Fokus; alle drei feiern 2018 runde Geburtstage: Lutoslawski wäre 105 Jahre alt geworden, Penderecki ist 20, Meyer 30 Jahre jünger.

Krzysztof Penderecki ist zum ersten Mal dabei

In der zur Konzertscheune umgebauten ehemaligen Gerätehalle einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft erklingen zentrale Kammermusik-, Chor- und Orchesterwerke aller vier Komponisten, außerdem stehen immerhin drei Uraufführungen und drei deutsche Erstaufführungen auf dem Programm. So hat Krzysztof Meyer, dem Festival seit der ersten Stunde eng verbunden, extra für den Kurort sein neues Streichquartett mit der an Schostakowitsch gemahnenden Nummer 15 komponiert. Sein Namensvetter Penderecki ist dagegen zum ersten Mal beim Festival vertreten und bringt eine neue Fassung seiner Ciaccona zu Ehren des verblichenen polnischen Papstes Johannes Paul II. zur Uraufführung.

Mit einem kurzen Impromptu für Viola und Klavier wird auch der jüngste Sensationsfund im Schaffen Schostakowitschs erstmals öffentlich erklingen: Die beiden Manuskriptseiten, 1931 für den Bratscher Alexander Ryvkin entstanden, wurden erst im vergangenen Jahr im Moskauer Staatsarchiv aufgefunden. Und seltenen Schostakowitsch gibt es auch für zwei Klaviere, in Gohrisch bedient von keinen Geringeren als Denis Matsujew und Alexander Malofejew: Strawinskys Psalmensinfonie, Mahlers Fragment der Zehnten und Honeggers Dritte arrangierte Schostakowitsch dereinst für seine Kompositionsstudenten – das garantiert weitere Erstaufführungen auf deutschem Boden.

Rundgänge führen zu den Orten, an denen Schostakowitsch verweilte

Den Charme des Festivals indes machen nicht nur die immer wieder hochkarätigen Künstler mit ihren extravaganten Programmen aus. Die Intimität des Ortes, dessen freundliche Gastgeber und die reizvolle Umgebung mit den schroffen Felsformationen ergeben zusammen eine großartige Atmosphäre zwischen Weltenbühne und Familiarität. Seit einigen Jahren gibt es einen sogenannten „Vorabend“ in der Semperoper, aber alle anderen Konzerte, in denen zumindest die Kapellmusiker im Dienst, also quasi unentgeltlich spielen, finden in der Sommerfrische statt.

Der russische Komponist Dmitri Schostakowitsch weilte zwei Mal im Kurort Gohrisch.
Der russische Komponist Dmitri Schostakowitsch weilte zwei Mal im Kurort Gohrisch.
© Oliver Killing

Angeschoben hatte das Festival der einstige Dramaturg der Staatskapelle Tobias Niederschlag. Mittlerweile wechselte er zum Gewandhausorchester, hält aber hoffentlich dem Luftkurort die Treue, auch wenn es in Leipzig seit Kurt Masur ebenfalls eine lange Schostakowtisch-Tradition gibt. Niederschlag liebt den morbiden Charme des alten DDR-Gästehauses, dazu moderiert er Komponistengespräche, die Konzerteinführungen finden im Gemeindeamt statt. Rundgänge durch den Ort sind eine Art Wallfahrt zu den Plätzen, an denen Dmitri Schostakowitsch gefrühstückt, geschlafen und komponiert hat – all das klingt möglicherweise seltsam, ist aber unglaublich entzückend und sehr authentisch, weil mit Liebe zur Sache initiiert.

Und wer dem kurzzeitig entfliehen will, muss nur in den Wald gehen – die Landschaft beeindruckte schon Caspar David Friedrich: Felsen, Elbe, Nebel. Und nicht zuletzt ein Dorado für Sommersteinpilze.

Internationale Schostakowitsch tage finden bis zum 24. Juni 2018 in Gohrisch statt. Mehr Infos im Internet unter: www.schostakowitsch-tage.de

Essen und Übernachtung

Bergwirtschaft Papststein

Auf dem Papststein, 01824 Kurort Gohrisch, T. 035021/ 60956

Auf dem Gipfel: Terrasse mit traumhaftem Rundblick. Regionale Gerichte zu moderaten Preisen

Parkhotel Margaretenhof

Pfaffendorfer Straße 89, 01824 Kurort Gohrisch, T. 03 50 21/62 30

Traditionshaus, nach der Wende zum Drei-Sterne-Haus renoviert, Einzelzimmer ab 60 Euro, Doppelzimmer ab 82 Euro

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