Ärger bei den Bayreuther Festspielen: So wird ein Buh draus
Dicke Luft in Bayreuth: Im letzten Jahr kassierte Tenor Lance Ryan Buhrufe für seine Darstellung in Castorfs "Ring". Nun hat er Angst vor dem Publikum.
Sommer, Festspiele ... war da nicht noch was? Richtig: der Krach. Sommerfestspiele dienen nicht der Erholung, sondern der Erregung. Streit ist Tradition, kein Weg führt daran vorbei. In Salzburg gibt es ewige Querelen um die häufig wechselnde Festspielleitung, in Avignon wird gern gestreikt und in Bayreuth sind sich die wenigsten grün.
In Bayreuth herrscht stets dicke Luft. So recht aber wollte sie sich dieses Jahr nicht entladen, auch wenn „Ring“-Regisseur Frank Castorf über die Wagners maulte und die fränkischen Verhältnisse überhaupt, die ihn an die DDR erinnern. Castorf liebt es, wenn das Publikum schimpft und schäumt. Das mag ein Grund sein, warum er sich an der Oper versucht hat. Im Schauspiel regt sich schon lange keiner mehr über irgendetwas auf.
Lance Ryan findet Buhrufe weniger komisch. Der 43-jährige Kanadier singt in Bayreuth den Siegfried und darf als in aller Welt gefeierter Heldentenor gelten. Letztes Jahr verpassten ihm die Wagnerianer eine Breitseite. Die klingt noch nach: „Ich habe noch nie ein Publikum erlebt mit so viel Hass, so viel Wut und so viel Rache. Die nehmen alles sehr persönlich. Es macht ein bisschen Angst und es ist einfach schrecklich“, sagte Ryan jetzt in einem dpa-Gespräch. Um gleich hinzuzufügen, damit sich der Grüne Hügel nicht beleidigt fühlt: „Andererseits war ich auch 2010 hier, da habe ich wiederum ein ganz tolles Publikum erlebt. Im Endeffekt gleicht sich das dann alles aus.“
Spricht so ein Held? Oder doch nur ein Heldendarsteller? Auf jeden Fall ein kluger Kopf. Lance Ryan hat das Wesen der Oper, Richard Wagner zumal, durchaus erfasst. Es geht um Leidenschaft und Entäußerung. Um Erfahrung: Ein echter Opernfan weiß ganz genau, wie dieses oder jenes zu klingen hat. Auch wenn man sich fein anzieht, muss man sich nicht so benehmen. Hass, Wut, Rache – das sind starke Worte. Starke Gefühle und Triebkräfte. Es gibt nicht mehr viele Heiligtümer auf unserer Seite der Welt, die Oper gehört dazu. Und Bayreuth umso mehr.
Deshalb engagieren die Chefinnen und Chefs dort (Castorf würde sagen: das ZK) gern blasphemische Typen, die den Göttern auf dem Grünen Hügel Leben einhauchen. Christoph Schlingensief war so einer, Patrice Chéreau natürlich – bei Castorf hat es nicht so wild gekracht. Bald kommt Jonathan Meese, ein Mythenbolzer und verschmutzter Wagnerianer. Den könnten die Bayreuther und ihre Gäste sehr persönlich nehmen. So soll es sein. Ausbaden werden es die Sänger, die sich sommers in Stahlgewitter begeben, um übers Jahr fit und unverletzbar zu sein. So wie Siegfried.