Wiederaufbau der Bauakademie: So viel Schinkel wie möglich
Zum Wiederaufbau der Bauakademie gab es einen Programmwettbewerb – nur ohne Programm. Ein Zwischenruf.
Der Bund ist gegenüber Berlin spendabel geworden! Man denke nur an das Humboldtforum, die Einheitswippe, die Kulturscheune, den Flughafen BER und nicht zuletzt an die Bauakademie. Wunderbar, oder? Zur Erinnerung: Die Bauakademie – der „rote Kasten“ – wurde 1832 bis 1836 von Karl Friedrich Schinkel errichtet. Sie diente zunächst als Sitz der obersten preußischen Baubehörde und als Ausbildungsstätte für preußische Baubeamte. Sie war eine der Keimzellen der späteren Technischen Hochschule.
Im Krieg nur wenig zerstört, wurde sie von der DDR-Regierung wieder repariert, um 1962, kurz vor der Fertigstellung, wieder abgerissen zu werden – zugunsten des DDR-Außenministeriums. Das wurde seinerseits 1995 abgerissen, um für einen Wiederaufbau der Bauakademie Platz zu schaffen. Doch dieser ließ auf sich warten – Jahrzehnt um Jahrzehnt. Seit dem 11. November 2016 stehen Bundes-Gelder für die Bauakademie bereit, zunächst ohne genau zu wissen, ob es denn ein Wiederaufbau sein und was in diesem Gebäude geschehen soll.
Doch nun wurde uns endlich verkündet, wo es hingehen soll. Nach einem im Februar 2017 gestarteten „ergebnisoffenen Dialogverfahren“ und einem „Programmwettbewerb“ ist seit Mai dieses Jahres klar: Wir brauchen vor allem Veranstaltungen, mehr Vermittlung von Architektur! Die bunten Vorschläge der fünf Wettbewerbsgewinner waren bis Anfang Juli im alten Haus des Deutschen Gemeindetages an der Straße des 17. Juni zu sehen. Doch halt – wie steht es mit dem Programm? Hier herrscht Funkstille. Vor lauter Suche nach Veranstaltungsformaten trat die Frage, was denn mögliche Botschaften all dieser Veranstaltungen sein könnten, in den Hintergrund. Ein Programmwettbewerb ohne Programm?
Schinkel stand für Unabhängigkeit von Kirche und Krone
Architektonische Vorschläge waren zwar noch nicht gefragt, aber „so viel Schinkel wie möglich“. Doch macht das Sinn? Ja! Denn das ist ja nicht nur eine architektonische Forderung, sondern auch eine programmatische. Wofür stand Schinkel? Diese Frage hätte man stellen können, ja müssen. Schinkel war oberster Baubeamter der preußischen staatlichen Verwaltung.
Sein Wirken stand für Sparsamkeit und Effizienz, aber auch für Schönheit, Ortsbezogenheit und Auseinandersetzung mit Geschichte. Es stand für programmatische Unabhängigkeit von Krone und Kirche. Und für die optimale Ausbildung des eigenen Nachwuchses. All dies brachte die Bauakademie auch architektonisch zum Ausdruck. Sie war eine Apotheose „guter Bau-Verwaltung“. Auch die überkommenen Terrakotta-Reliefs künden davon. Das ist einzigartig, großartig. Als Kunst wie als Programm!
Dieses Programm könnte, ja müsste heute neu interpretiert und bereichert werden. Wofür brauchen wir denn sonst eine wieder errichtete Bauakademie? Die Themen müssen wir nicht lange zu suchen: Wohnungsfrage, Bodenfrage, Energiefrage, Klimafrage, Verkehrsfrage! Wie kann die Stadt der Zukunft schön und gut gestaltet, wie das kriselnde Land ertüchtigt werden? Was ist eine gute Bau-Verwaltung heute? Und natürlich: Wofür steht die Heimat der Bauakademie, die Hauptstadt Berlin? Ein Ort, der selbst eine europäische Botschaft vermittelt: Berlin hat erst Ende des 19. Jahrhunderts seine bauliche Form gefunden, war die Bühne harter Konflikte und Experimente in der Weimarer Republik, vor allem aber Brennspiegel zweier sehr unterschiedlicher Diktaturen, die eine vielfach gebrochene Stadt hinterlassen haben. Heute ist Berlin wieder im Kommen. Eine europäische Großstadt mit großen Herausforderungen und noch größeren Chancen, ein Ort, und das ist wirklich einzigartig, der sein Wachstum immer wieder reflektiert.
Doch vielleicht ist ein solches Programm längst auf der politischen Agenda und uns nur noch nicht bekannt? Denn auch Politiker wissen: Politik muss gestalten, die Zielrichtung weisen, nicht den Löffel an Marketingfirmen abgeben. Wo aber bleiben die Politiker des Bundes und des Landes? Ja, auch des Landes Berlin! Haben sie nichts zu diesem Thema zu sagen? Die entscheidende Weichenstellung heute heißt: Wollen wir eine Event-Location oder ein Zentrum mit Botschaften, einen Ort gesellschaftlicher Auseinandersetzung? Wir besitzen übrigens bereits eine überzeugende programmatische Einrichtung: die Bundesstiftung Baukultur. Bitte jetzt nicht eine zweite Stiftung Bauzirkus!
Harald Bodenschatz (Stadtsoziologe, TU Berlin) und Ephraim Gothe (Bezirksstadtrat Mitte, SPD) sind im Vorstand des Architekten- und Ingenieur- Vereins zu Berlin tätig, dessen Mitglied von 1829 bis 1841 auch Karl Friedrich Schinkel war.
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