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In seinem Sinne? Alfred Nobel.
© dpa

Schwedische Akademie: So könnte es beim Literaturnobelpreis weitergehen

Nach der Aussetzung des Literaturnobelpreises: Wie geht es mit der Akademie weiter? Ein Überblick über mögliche Szenarien.

Im Fall der Schwedischen Akademie und des Literaturnobelpreises ist momentan nur eins sicher: Es wird dieses Jahr von der personell arg dezimierten, aus ursprünglich 18, inzwischen gerade noch zehn Mitgliedern bestehenden Akademie kein Nobelpreis verliehen werden. So gar nicht sicher und völlig unklar ist jedoch, wie es überhaupt mit der Akademie weitergeht. Ob diese sich nach dem Belästigungs-, Finanz-, Geheimnisverrats- und Korruptionsskandal der vergangenen Monate und Jahre neu konstituiert, sie aufgelöst wird oder sie sich zusammenrauft.

Vergangene Woche haben die aus der Akademie ausgetretenen Mitglieder Sara Danius, Kjell Espmark und Peter Englund einen Brief bei den Redaktionen der schwedischen Zeitungen „Svenska Dagbladet“ und „Dagens Nyheter“ abgegeben. Darin erklären sie sich bereit, die Erneuerung der Akademie mit voranzutreiben. Allerdings nur, wenn ihre wichtigste Forderung erfüllt wird, nämlich dass der ehemalige Vorsitzende und Ständige Sekretär, der Literaturwissenschaftler Horace Engdahl, die Akademie verlässt.

Engdahl ist Fürsprecher der Lyrikerin Katharina Frostenson und ihres Mannes Jean-Claude Arnault, die zu den Hauptverantwortlichen der Krise gehören. Engdahl wird nun von den drei Briefschreibern als „treibende Kraft“ bezeichnet, der die Akademie noch tiefer in die Krise gestürzt habe: „Wir setzen voraus, dass er seiner Verantwortung gerecht wird und nun für das Beste der Akademie jedwedes persönliche Interesse zurückstellt.

Ohne dass dies passiert, ist es völlig unmöglich, das Vertrauen sowohl in die Schwedische Akademie als auch in den Literaturnobelpreis wiederzugewinnen“. Überdies fordern Danius, Espmark und Englund einen ausgewiesenen Juristen auf dem ersten Stuhl der Akademie.

Engdahl denkt gar nicht daran, zurückzutreten

Nur denkt Engdahl gar nicht daran, zurückzutreten. In einer Mail an „Dagens Nyheter“ schrieb er postwendend, wie alle Akademiemitglieder auf Lebenszeit gewählt worden zu sein und auf seinem Stuhl Nummer 17 „unter allen Umständen bis zu meinem Tode“ zu sitzen. „Die drei Abtrünnigen beschämen sich durch diesen missglückten Versuch eines Machtspiels.“

Dieser öffentliche Zwist, Danius spricht von einem „moralischen Verfall der Akademie“, deutet an, wie tief die Gräben sind, wie sehr sich die Mitglieder wegen des Falls Frostensons/Arnault in den vergangenen Monaten bekämpft haben. Tatsächlich ist die Akademie gerade nicht nur nicht arbeits- und beschlussfähig, sondern sie scheint auch nicht in der Lage zu sein, sich aus sich selbst heraus zu erneuern und die Krise zu bewältigen.

Dazu passt, dass die von der Akademie Anfang Mai verkündete Aussetzung des Literaturnobelpreises wohl nicht von ihr selbst beschlossen, sondern von der ihr übergeordneten, für alle Nobelpreise letztgültig verantwortlichen Nobelstiftung vorgeschlagen wurde. Deren Direktor Lars Heikenstein hatte in einem Interview mit einem schwedischen Radiosender angedeutet, dass es womöglich auch 2019 keinen Literaturnobelpreis gebe, so keine Lösung für die Akademie gefunden werde.

Und dass er Vorschläge auf dem Tisch liegen habe, die Verantwortung für den Literaturnobelpreis anderen Institutionen zu übertragen. Genau das hat auch der Kulturchef von „Dagens Nyheter“, Björn Wiman, in einem Kommentar der Sonntagsausgabe überlegt, nämlich die Verleihung des Literaturnobelpreises übergangsweise von der sogenannten Vitterhetsakademie (Weisheitsakademie) vornehmen zu lassen, der 1753 von Königin Luise gegründeten und über 100 Mitglieder zählenden „Königlich Schwedischen Gelehrsamkeits-, Geschichts- und Altertümer-Akademie“.

Der Kommentar war überschrieben mit „Tretet alle ab“. Wiman kann sich nichts anderes als „einen totalen Neubeginn“ vorstellen, ähnlich wie Sara Danius, die auch meinte, eigentlich müssten alle Akademiemitglieder zurücktreten, „und dann sind es außenstehende Instanzen, die neue Mitglieder wählen“.

Nur die Regierung kann die Statuten der Akademie verändern

Nur scheint einem Großteil der verbliebenen, eben auf Lebenszeit gewählten Mitglieder nicht der Sinn nach Austritten zu stehen, wie nicht nur Engdahls Aussage, sondern auch das Schweigen der anderen demonstriert. Auch die inaktiven Mitglieder würden wohl gern die Akademie in ihrer jetzigen Form erhalten. So wirkt die Situation verfahren, zumal die schwedische Regierung, die als einzige die Statuten der Akademie verändern kann (nicht der König!), bislang keine Anstalten macht, juristisch entscheidend in die Literaturnobelpreisbelange einzugreifen.

Es bleibt die Hoffnung auf die Einsicht der Mitglieder, eines Tages ihre attraktiven Positionen doch selbst dranzugeben, um das verlorene Vertrauen in das Gremium wiederherzustellen, gemäß einer beliebten Floskel aus dem Fußballbetrieb: „Es geht hier nicht um meine Person, es geht um den Verein“. Vielleicht nutzt da der sanfte Druck, den der Nobelpreis-Direktor Heikenstein mit seinen Äußerungen ausgeübt hat.

Vielleicht aber einigen sich die Akademie-Mitglieder doch noch darauf, eine Untersuchungskommission zur Aufklärung der Geschehnisse in und um den von Frostenson und Arnault betriebenen Club einzubestellen. Sara Danius hatte diese in Form einer Anwaltskanzlei schon einmal auf den Weg gebracht, musste dieses Vorhaben aber wieder wegen einer fehlenden Mehrheit stoppen. Kjell Espmark hatte diese Idee vor ein paar Wochen erneut gemacht und als Vorsitzende Inga-Britt Ahlenius vorgeschlagen, die einstige stellvertretende Generalsekretärin der Uno. Die Akademie mag sich mit der Aussetzung des Literaturnobelpreises 2018 Zeit verschafft haben – doch je länger sie braucht, um zu einer Lösung oder gar zu einem Neuanfang zu kommen, desto mehr ramponiert sie das Ansehen des Literaturnobelpreises.

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