Sammlung Cornelius Gurlitt: „Sitzende Frau“ von Matisse ist Raubkunst - und nun?
Die Taskforce hat den Verdacht bestätigt: Die „Sitzende Frau“ von Henri Matisse aus der Gurlitt-Sammlung ist Raubkunst und gehört der jüdischen Familie Rosenberg. So weit, so unklar. Denn wo die Arbeit der Taskforce endet, fängt die eigentliche Aufgabe erst an.
Eine Überraschung ist es nicht, was die Taskforce Schwabinger Kunstfund jetzt über das Bild „Sitzende Frau“ von Henri Matisse sagt: Das Gemälde, das der berühmten wie umstrittenen Sammlung von Cornelius Gurlitt ein Gesicht gab, wurde einst von den Nationalsozialisten geraubt. Rechtmäßiger Besitzer ist die Familie Rosenberg. Die Arbeit der Taskforce an diesem Bild ist damit beendet. Allein diese Erkenntnis bringt den Erben des jüdischen Kunsthändlers Paul Rosenberg derzeit nicht viel. Seit dem Tod Gurlitts am 6. Mai in München gibt es nämlich niemanden, der wirklich für die millionenschwere Sammlung zuständig ist.
Das Kunstmuseum Bern, das Gurlitt kurz vor seinem Tod in seinem Testament als Alleinerben eingesetzt hat, hat noch immer nicht entschieden, ob es die Sammlung - und alle damit verbundenen Verpflichtungen - haben will. Vielleicht wird es in rund einem Monat eine Entscheidung fällen. „Anfang Juli wird es die nächste Information geben“, sagt eine Museumssprecherin am Donnerstag. Ein halbes Jahr lang kann das Museum sich insgesamt Zeit lassen.
Die Taskforce will ihr Gutachten über die „Sitzende Frau“ dem Amtsgericht München als zuständigem Nachlassgericht zukommen lassen, wie die Leiterin Ingeborg Berggreen-Merkel sagt. Es soll dann „im Anschluss Grundlage für die Entscheidung über eine Restitution an die Erben von Paul Rosenberg sein“.
Diese endgültige Entscheidung liege ausschließlich in der Hand von Gurlitts Erben, betont sie, und dass Gurlitt, der Sohn von Hitlers Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, sich kurz vor seinem Tode bereiterklärte, die Washingtoner Prinzipien anzuerkennen. Das heißt, dass er von den Nazis geraubte Bilder an die rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben wollte. „Diese Verpflichtung bindet auch seine Erben“, sagt Berggreen-Merkel.
Jahrzehntelanger Kampf um die Übergabe des Bildes
Doch das alles kann dauern. Dabei sah es noch im März so aus, als seien Rosenbergs Enkelinnen Marianne Rosenberg, eine New Yorker Anwältin, und Anne Sinclair, die Ex-Frau von Dominique Strauss-Kahn, endlich am Ziel. Dem jüdischen Kunsthändler Paul Rosenberg von den Nazis geraubt, befand sich das Bild einst im Besitz von Hermann Göring, bevor es später - über Umwege - in die Sammlung Gurlitt gelangte. Nach jahrzehntelangem Kampf standen die Enkelinnen kurz vor der Übergabe des Bildes.
Eigentlich sei alles geklärt, sagte Gurlitts damaliger Sprecher Stephan Holzinger Ende März. Es gehe nur noch um die formelle Einigung, die eigentlich spätestens Anfang April medienwirksam über die Bühne gebracht werden sollte. Doch dazu kam es nicht, weil noch jemand kurzfristig Anspruch auf das Bild erhob und die Übergabe dann abgesagt werden musste.
Dieser Anspruch dürfte zwar nach der Veröffentlichung der Taskforce-Ergebnisse weitgehend hinfällig sein, auch wenn „nach über 70 Jahren mitunter nicht alle sich stellenden Fragen abschließend beantwortet werden können“, wie Berggreen-Merkel sagt. Hinfällig ist aber nach Gurlitts Tod zunächst wohl auch die geplante Vereinbarung mit Rosenbergs Enkelinnen. Für sie und für alle anderen, die möglicherweise Anspruch auf Bilder aus Gurlitts wertvoller Kunstsammlung haben, gilt: Warten auf Bern. (dpa)