Serien auf der Berlinale: Sitzen bleiben
Berlinale für „Breaking Bad“-Fans: Endlich feiert das Spin-off „Better Call Saul“ Premiere. Das Genre ist längst auf dem Festival angekommen - sieben weitere Serien stellen sich vor.
Das Warten ist vorbei. Endlich feiert „Better Call Saul“, der Nachfolger der US-Serie „Breaking Bad“, seine internationale Premiere, am Dienstagabend im Serien-Programm der Berlinale. Die Story spielt sechs Jahre vor „Breaking Bad“, den Crystal Meth kochenden Chemielehrer Walter White sucht man also vergeblich. Aber keine Sorge, die neue Produktion von „Breaking Bad“- Erfinder Vince Gilligan ist derart mit Anspielungen gespickt, dass die Fans auf ihre Kosten kommen.
Im August hatte Gilligan eine Komödie angekündigt. Schon die ersten beiden in Berlin gezeigten Folgen machen jedoch klar, dass das Drama nicht weit ist. Alles dreht sich in diesem Spin-off, das wieder in Albuquerque spielt, um den findigen Rechtsanwalt Saul Goodman (Bob Odenkirk), der in „Breaking Bad“ Walther White mit nicht immer ganz legalen Ratschlägen zur Seite stand.
Bob Odenkirk versucht, über die Runden zu kommen
In „Better Call Saul“ hört er auf den bürgerlichen Namen James McGill und versucht, als Pflichtverteidiger über die Runden zu kommen. Angesichts seiner beträchtlichen Schulden verteidigt er selbst drei Jugendliche, die sich am abgetrennten Kopf einer Leiche vergangen haben. Da er sich auch noch um seinen Bruder Chuck (Michael McKean) kümmern muss, weil dieser das Haus aus Angst vor elektromagnetischen Strahlen nicht mehr verlässt, braucht er neue Einnahmequellen. In der Pilotfolge, bei der Vince Gilligan selbst Regie führte, weckt eine kleine Szene sofort nostalgische Gefühle. Saul trifft auf den Parkplatzwächter Mike (Jonathan Banks) der in „Breaking Bad“ den charismatischen Auftragskiller gibt. Und die Hoffnung, dass es Gilligan tatsächlich gelingt, die Balance zwischen Erneuerung und Wiederbelebung zu halten.
Die Serie von 2013 ist längst zum Inbegriff des neuen Erfolgsformats geworden, der Kunst, das Publikum mit komplexen, episodenübergreifenden Handlungssträngen in Bann zu ziehen – ob traditionell im TV-Programm oder als Internetstream. Der Verschiebung der Zuschauervorlieben Richtung Streamingdienste trägt die Produktionsfirma Sony nun Rechnung, indem sie die Serie fast zeitgleich mit der Erstausstrahlung auf dem Kabelkanal AMC auch bei Netflix herausbringt. Und das „Special Series“-Programm der Berlinale, bei dem insgesamt acht Serien Premiere feierten, würdigt die Tatsache, dass die erzählerische und ästhetische Qualität des beliebten Format sich längst mit dem Autorenfilm klassischen Zuschnitts messen kann.
"Bloodline" ohne Vorspann
Ins Kino gehen und Serien gucken, funktioniert das überhaupt? Bei einer Dauer von nur 60 Minuten pro Folge oder gar der Überlänge einer ganzen Staffel? Berlinale-Besucher sind da flexibel. Ins Kino gegangen und dringeblieben – in den 80er und 90er Jahren war das vor allem im Forums-Programm Tradition. Dort liefen jährlich Produktionen mit Überlänge. Claude Lanzmanns legendäre Neun-Stunden-Dokumentation „Shoah“ (1985), Jacques Rivettes 13-StundenWerk „Out One“, Bela Tarrs siebenstündiger „Satanstango“ – sie hatten oft Kultstatus. Auch Langzeitbeobachtungen wie „Die Kinder von Golzow“ als gewissermaßen über die Jahre verteilte Serie und TV-Mehrteiler wie Edgar Reitz’ „Heimat“ oder Dominik Grafs zehnteilige Krimiserie „Im Angesicht des Verbrechens“ 2010 erfreuten sich großer Beliebtheit – beim Festivalpublikum wie der Kritik.
Da wirkt es fast seltsam, wenn das Festival nun zwei Serienfolgen hintereinander zeigt, um halbwegs auf normale Filmlänge zu kommen, oder wenn bei „Bloodline“ mit Kyle Chandler der Vorspann der zweiten Folge weggeschnitten wurde, um den Eindruck eines zusammenhängenden Films zu erzeugen. „Better Call Saul“ auf der großen Leinwand, das hat trotzdem was – schon weil man die innovativen Kameraeinstellungen einmal richtig würdigen kann. Die Fortsetzung: ab heute im Netz.
Mattes Lammert