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Eine Frage des Bondings: kostümierte „Avengers“-Fans am Rande der Weltpremiere am Dienstag in Hollywood.
© Mario Anzuoni/REUTERS

„Avengers: Endgame“: Showdown der Titanen

Was es auch kosten mag: Mit „Avengers: Endgame“ kommt das erstaunlichste Kinophänomen der letzten 20 Jahre zu einem vorläufigen Abschluss.

Am Ende von „Avengers: Infinity War“ setzte Superbösewicht Thanos (Josh Brolin) die kosmische Kraft der Infinity- Steine ein und ließ mit einem Fingerschnippen die Hälfte aller Lebewesen, inklusive der Superhelden, zu Asche zerfallen. Wenn die Überlebenden nun die winzig kleine Chance hätten, die Katastrophe rückgängig zu machen, dabei aber ihr eigenes Leben riskieren müssten, würden sie es tun?

Eine Frage von moralischer Dimension, die sich in „Avengers: Endgame“ auch für Superhelden stellt, zu deren Jobprofil es gehört, das eigene Leben selbstlos in die Waagschale zu werfen. Denn einige von ihnen haben durch die Ereignisse alles verloren. Andere aber hatten Glück und konnten sich in einer halbentvölkerten Welt mit ihren verbliebenen Liebsten einrichten.

Allem Zögern zum Trotz ziehen die übrig gebliebenen Avengers natürlich abermals in die Schlacht gegen den Schicksalswürfler Thanos und versuchen, die Apokalypse ungeschehen zu machen. „Whatever it takes“, was es auch kosten mag, ist der Kampfruf der dezimierten Heldenschar. Und dass dieses Re-Match gegen den furchteinflößendsten aller Superheldenfilmschurken keine lustige Klopperei in Spandexhosen wird, deutet schon der Untertitel des dreistündigen Monumentalfilms an: „Endgame“ bedeutet hier wirklich mal, dass etwas zu Ende geht.

Mit dem 22. Film des Marvel Cinematic Universe, kurz MCU, kommt das wohl erstaunlichste Kinophänomen der letzten zwei Jahrzehnte zu einem vorläufigen Abschluss. Das MCU hat, seit dem Urknall mit „Iron Man“ 2008, kommerziell neue Dimensionen erschlossen: Bei Produktionskosten von rund vier Milliarden Dollar haben die bisherigen 21 Filme über 18 Milliarden eingespielt und den Mutterkonzern Disney zum weltweiten Marktführer gemacht. Unter den zehn erfolgreichsten Filmen der Kinohistorie stammen vier, die bisherigen drei „Avengers“- Teile und „Black Panther“, aus dem MCU – und man kann wetten, dass „Avengers: Endgame“ der fünfte werden wird.

Hunderte Millionen Dollar für junge Regisseure

Das MCU hat aus dem Troublemaker Robert Downey Jr. (Iron Man) einen Superstar gemacht und aus relativ unbekannten Mimen wie Chris Hemsworth (Thor), Chris Evans (Captain America) oder Chris Pratt („Guardians of the Galaxy“) Ikonen der Popkultur. Und sogar der zurecht beklagte Mangel an starken Frauenfiguren (außer Scarlett Johansson als Black Widow) ist zuletzt durch die stolzen Wakanda-Kriegerinnen in „Black Panther“ und den fulminanten Auftritt von Brie Larson in „Captain Marvel“ korrigiert worden.

Das Studio hat jungen Regisseuren wie Shane Black, James Gunn oder Taika Waititi, die zuvor eher durch originelle Genreproduktionen aufgefallen waren, hunderte Millionen Dollar schwere Blockbuster anvertraut – ein Risiko, dass sich ausgezahlt hat. Ryan Cooglers „Black Panther“ war sogar der erste Superheldenfilm, der eine Oscarnominierung als bester Film bekommen hat.

„Endgame“ führt nun noch einmal alle Heldengestalten des MCU zusammen. Dass dieses unglaubliche Figurentableau nicht zu völliger Konfusion oder dramaturgischer Beliebigkeit führt, ist eine der bemerkenswertesten Leistungen dieses kolossalen Films. Die eigentliche Handlung setzt fünf Jahre nach einer Art Prolog ein, bei dem ein erster, aus Wut und Trauer geborener Plan, Thanos die Infinity-Steine abzunehmen und mit ihnen die Ereignisse zu revidieren, in einem weiteren Desaster endete.

Da weist ausgerechnet der kleinste Held einen Ausweg: Ant-Man (Paul Rudd) hat die Zeit seit der Katastrophe unfreiwillig im Quantenversum verbracht, wo sich die fünf Jahre wie Tage anfühlten. Unter Anleitung der schlaueren Köpfe unter den Superhelden wird nun ein vertrackter Zeitreise-Beutezug, ein Time Heist, ausbaldowert, um in der Vergangenheit an die Infinity-Steine zu gelangen, bevor Thanos ihrer habhaft werden kann. Da die Protagonisten des MCU in ihren bisherigen Abenteuern immer wieder mit den Zaubersteinen zu tun hatten, liegt es nahe, dass die in drei Gruppen aufgeteilten Zeitreisenden bei ihren Ausflügen in die Vergangenheit auf jüngere Ausgaben ihrer selbst treffen.

Dass man in dem zwischen Zeiten und Orten springenden Plot nicht die Orientierung verliert, liegt an dem bei allen Abschweifungen straffen Drehbuch von Stephen McFeely und Christopher Markus, aber auch an der weisen Entscheidung, die Geschichte mit aller gebotenen Ruhe zu erzählen. Immer wieder nimmt das Regie-Brüderpaar Anthony und Joe Russo während der kurzweiligen 181 Minuten das Tempo aus dem Film, lässt die Action zugunsten von Dialogwitz und Film-im- Film-Zitaten in den Hintergrund treten und gibt den mit ihren Rollen über Jahre verwachsenen Darstellern reichlich Gelegenheit, ihr Charisma wirken zu lassen.

Nur das Vorgeplänkel zu einem epischen Showdown

Das ist aber nur das Vorgeplänkel zu einem Showdown, dessen epische Wucht alle bisherigen Titanengefechte des Genres in den Schatten stellt. Dabei gerät die monströse Materialschlacht mit Raumschiffen, Alienheeren und Dutzenden Superhelden nicht nur, wie kürzlich bei dem beeindruckenden, aber vorhersehbaren Unterwasser-Finale von „Aquaman“, zum furios choreografierten Zerstörungsballett, sondern lässt einen tatsächlich um den guten Ausgang der Angelegenheit fürchten. Das emotionale Bonding funktioniert, weil einem die Protagonisten wirklich etwas bedeuten.

„Avengers: Endgame“ ist kein Film, den man ohne Kenntnis wenigstens der Grundzüge des MCU anschauen sollte. Die meisten Kinogänger dürften seit Jahren mitfiebern, ihnen sind der smarte Iron Man, Captain America mit seinem altmodischen Moralkodex, der neuerdings gutmütige grüne Hulk und auch der gelegentlich etwas begriffsstutzige Donnergott Thor, der sich – Selbstmitleid macht durstig – eine ordentliche Kummerplauze angesoffen hat, ans Herz gewachsen. Am Ende dieser fantastischen Achterbahnfahrt wird das MCU nicht mehr dasselbe sein, werden Tränen fließen. Whatever it takes. Ab Mittwoch in 26 Berliner Kinos.

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