Nobelpreis-Literatur im Hanser-Verlag: Sekt ja, Modiano nein
Und wieder erscheint mit Patrick Modiano ein Nobelpreisträger bei Hanser. Am Verlagsstand auf der Frankfurter Buchmesse scheint der Schock die Euphorie zu überlagern: Zwar ist Sekt vorrätig, aber keine Bücher des Geehrten.
Als einen „Sieg für die Schönheit der Literatur“ wertet Hanser-Verleger Jo Lendle den Literaturnobelpreis für seinen Autor Patrick Modiano. An dem 69-jährigen Franzosen, dessen Romane fast alle von Elisabeth Edl ins Deutsche übersetzt wurden und mit „Gräser der Nacht“ ganz aktuell auch werden, schätzt Lendle insbesondere „die Kompromisslosigkeit seiner Sprache und die Schönheit seines Französischen“. Dass Modiano kein politischer Autor ist, will Lendle ihm nicht vorwerfen: „Man kann nicht mit dem Literaturnobelpreis immer nur aktuell auf Krisensituationen reagieren. Es ist auch wichtig, dass die Literatur der Autoren, die nicht aus einem Krisengebiet kommen, gewürdigt wird.“
Nach Mo Yan 2012, Herta Müller 2009 und Orhan Pamuk 2006 ist mit Modiano erneut ein Nobelpreisträger Hanser-Autor. Am Buchmessen-Stand in Halle 3 scheint allerdings der Schock die Euphorie zu überlagern: Zwar ist Sekt vorrätig, aber keine Bücher des Geehrten, auch nicht sein zuletzt auf Deutsch erschienenes „Der Horizont“. Anders als Modianos übrige in Paris zentrierte Werke endet der Roman in einer Berliner Buchhandlung.
Patrick Modiano widersetzt sich dem Mainstream
Seit 1998, mit dem Erscheinen von „Dora Bruder“, betreut die Lektorin Tatjana Michaelis bei Hanser das Werk des Autors, der zuvor bei Suhrkamp war. Mehr als zwanzig Titel wurden ins Deutsche übersetzt. „Ich will nicht indiskreter sein als der Autor selbst“, sagt die Lektorin über den äußerst zurückgezogen lebenden Schriftsteller. Sie schätzt besonders „seinen Stil und wie er mit bestimmten Themen in seinem Werk konsequent verfährt. In seinen Büchern gehe es zentral um Vergangenheit und Erinnerung, ob im deutsch okkupierten Paris während des Zweiten Weltkriegs oder in den sechziger Jahren. Die Frage, was die Zeit mit dem Menschen macht, sieht sie als Modianos wichtigstes Motiv.
Auch Michaelis’ Lektorenkollege Wolfgang Matz bewundert an Modiano, dass er sich dem Mainstream widersetze: „Scheinbar schreibt er immer das Gleiche, es wächst aber wie bei vielen großen Autoren zu einem einzigen Werk zusammen.“
Im Verlag hat man es übrigens längst aufgegeben, bei der Wahl der Romantitel auf Monsieur Modiano einwirken zu wollen. Er sitze gerade an den Korrekturen für die deutsche Ausgabe von „L’herbe des nuits“, der Titel ist ein Mandelstam-Zitat. Das Erscheinen von Elisabeth Edls Übersetzung mit dem Titel „Gräser der Nacht“ wird nun von Februar auf Oktober vorgezogen.