Carlos Santana in der Zitadelle Spandau: Sein Sommer der Liebe hört nie auf
Gefühle können nicht altern: Gitarrengott Carlos Santana gibt sich in der Zitadelle Spandau die Ehre und wirft seinen Rhythmusteppich aus wie ein Fischer sein Netz.
Was für eine bombastische Inszenierung! Im Vorprogramm laufen Clips von seinem Auftritt in Woodstock über die Videoleinwand der Zitadelle in Spandau. Im Zeitraffer dazu: Konzertposter von Janis Joplin, Martin Luther King beim Marsch auf Washington, Bob Dylan, Jefferson Airplane. Unterlegt mit psychedelischen Klängen und Erinnerungsstücken aus der Ikongrafiekiste der frühen siebziger Jahre: Make love not war. Come together. So ein Intro kann schiefgehen, von wegen falscher Sentimentalität.
Die Kurzdokumentation huldigt einer Legende. Als hätte es dieser Rückkopplung mit der Vergangenheit, dieses Appells an das kollektive Gedächtnis bei ihm je bedurft: Carlos Santana, inzwischen 71 Jahre alt, vom Alter aber nur leicht gebeugt, hat es an diesem Freitagabend gar nicht nötig, sich als Überlebender des Rock’n’ Roll zu inszenieren. Alles wie immer. Erinnerungen und Gefühle können nicht altern.
Mit einem Kaugummi im Mund und einer Sonnenbrille auf der Nase tritt dieser irdische Gitarrengott schließlich aus dem kühlenden Bühnennebel. Plötzlich ist sie wieder da, die Vergangenheit. Erinnerungen an das Konzert im Palast der Republik werden wach. 1987 war das. Drei Jahre zuvor bespielte er in West-Berlin die Waldbühne, mit Bob Dylan und Joan Baez. Von Zusammenspiel konnte jedoch keine Rede sein. Santana kam wieder und wieder nach Berlin. Damals wie heute wirft Santana seinen aus Drumbeats, Bläser- und Gitarrenklängen gewobenen Rythmusteppich über das Publikum aus wie ein Fischer sein Netz. „Jin-go-lo-ba“. Vielleicht sind es weniger die mit Rock und Sologitarre vermählten Latinorhythmen, die so magisch sind.
Nach einer Dreiviertelstunde sind alle in Bewegung
Es geht hier um Größeres als Musik. „Oye como va? Hey, wie geht es?“ Es ist das Gemeinschaftserlebnis, die Lebensfreude, die auf der Bühne zu spüren sind und so anziehend wirken. „You have to change your evil ways.“ Bassist Benny Rietveld und Cindy Blackman geben an diesem heißen Abend die Takte vor. Die Schlagzeugerin (und Ehefrau Santanas) spielt auf ihrer Schießbude um ihr Leben, als gäbe es kein Morgen. Die Power, die man einst mit „Black magic woman“ verbunden haben mag – hier ist sie Fleisch geworden. Unschlagbar die von der fast sechzigjährigen Blackman getrommelte und gesungene rockige Version von John Lennons Klassiker „Imagine“.
Nach einer Dreiviertelstunde sind alle in Bewegung, Menschen erheben sich von ihren Rollatoren. „Maria, Maria“. Die Menge schwenkt die Arme über den Köpfen. Summer of Love. Die prall gefüllte Zitadelle nun: ein wogender und gelegentlich hüpfender Klangkörper. Gitarrist Tommy Anthony kommt mit „Roxanne“ zu einem umjubelten Soloauftritt. Es hörte sich an, als singe „Police“-Mann Sting aus einem anderen Körper. Andy Vargas und vor allem Tony Lindsay („Can you hear me?“) gehen mit ihren Stimmbändern ans obere Ende, während Carlos Santana – cool und lässig, mit zumeist geschlossenen Augen – seine goldene Gitarre mit dem Publikum und seinen Mitspielern sprechen lässt. „Samba Pa Ti“ haben sie Gott sei Dank nicht gespielt. Peace.
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