Berlin: Carlos Santana: Großfamilientauglich in der ausverkauften Wuhlheide
Nein, "Samba Pa Ti" hat er nicht gespielt, die Feuerzeuge blieben diesmal stecken. Aber das war schon der einzige Verstoß gegen die Erwartungen des Publikums, den Carlos Santana sich am Sonntag in der ausverkauften Wuhlheide leistete.
Nein, "Samba Pa Ti" hat er nicht gespielt, die Feuerzeuge blieben diesmal stecken. Aber das war schon der einzige Verstoß gegen die Erwartungen des Publikums, den Carlos Santana sich am Sonntag in der ausverkauften Wuhlheide leistete. Ein geringer zudem, nur hier und da mehr gutgelaunte als enttäuschte Rufe nach dem Schmusestück. Was wollte man auch mehr, hatte sich doch der Mexikaner mit "Jingo" als Rausschmeißer zu einer Spitze emporgespielt, die selbst Leute mit jahrzehntelanger Santana-Erfahrung zufrieden mit den Fußspitzen wippen ließ. Endlich wagte er mal was, während er zuvor gut zwei Stunden lang auf Nummer Sicher ging, mit den drei ersten Songs des "Supernatural"-Albums zur Eröffnung, da wusste man, wohin es lief. Keine "Best of"-Revue wie 1992, keine Experimente mit unbekannteren Stücken und überraschenden Variationen wie 1994 - nein, der Grammy-Erfolg der letzten CD sollte weitergesponnen werden, als größter gemeinsamer Nenner des nun wirklich heterogenen Publikums.
Wer war da nicht alles zu sehen. Natürlich nur wenig Teenies, eher noch die Alterstufe darunter, im Schlepptau von Papa und Mama, stolz, dabeisein zu dürfen. Ein erstaunlich hoher Anteil der Love-Parade-Generation und weiter quer durch die Altersklassen, bis weit in die Sechziger. Saturierte Herren, ausnahmsweise im T-Shirt, gesellten sich mit ihren nabelfreien Gemahlinnen zu Späthippie-Pärchen mit bunten Kifferkappen, offenbar auf Nostalgietour (aber das Töchterchen mit dicken Ohrenschützern!)
Schon die afrikanische Vorgruppe Toure Kunda hatte sich als überraschend gut erwiesen, sehr geeignet für die Aufheizphase. Wann hat man das schon mal, dass diesem Teil eines Konzertabends mehr als freundliches Desinteresse entgegengebracht wird. Diesmal hatte sich das Publikum schon warmgeklatscht, als kurz nach acht der Held des Abends die Bühne betrat, nach minutenlangem Improvisations-Intro rasch noch Raphael, Gabriel und die anderen Erzengel beschwor, die irgendwo herumflatterten, und dann mit "Yaleo" seine "Supernatural"-Revue eröffnete. Die Congas und Bongos wummerten und pochten wie gewohnt, es ritschte, ratschte, rasselte, die Gitarrenriffs türmten sich höher und höher - ja, wenn man das nicht schon unzählige Male gehört hätte, wenn man nicht wüsste, dass Santana exakt diese Grifffolgen wieder und wieder durcheinandergeschüttelt und neu kombiniert hat, wenn man es hören könnte wie vor gut 20 Jahren - ja, dann wäre es richtig gut. Obwohl, zur Wildheit früherer Gitarrenexcesse wie in seinen Woodstock-Kracher "Soul Sacrifice" steigert sich der Gitarrero heute nicht, bewegt sich eher auf einem Hochplateau der guten Laune. Selbst "Europe" aus den Siebzigern, einer der wenigen Rückgriffe auf die Vergangenheit, wird großfamilientauglich gezähmt. Nur bei "Jingo", da wird es spannend.
Zur Zugabe darf auch Toure Kunda noch mal raus, und während Santanas Truppe zuvor eher routiniert als begnadet wirkte, ist plötzlich eine Spiellust da, eine Freude am Variieren des Altvertrauten, es pickert, pockert, puckert, es trommelt, klopft und pocht wie nie zuvor an diesem Abend. Was brauchen wir da noch Gitarren, Carlos hat seine längst zur Seite gelegt. Nein, jetzt sind wir nicht mehr in Woodstock und nicht in der Wuhlheide. Jetzt sind wir jenseits in Afrika.
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