Musiker Roger Cicero: Sein Jazz war ein Fest
Der Jazz-Sänger Roger Cicero ist mit 45 Jahren überraschend an einem Hirnschlag gestorben. Bereits als Elfjähriger stand der Berliner auf der Bühne. Seine Fans begeisterte er mit seiner positiven Art.
Der Song trägt die Nummer 13 auf seiner CD „Was auch immer kommt“. Es ist eine bittere Ballade über einen Vater, der von Zuhause ausgezogen ist und nun in der alten Wohnung sein Kind zu Bett bringt. „Ich halt dich fest, bis du schlafen kannst“, singt Roger Cicero, der hier seinen eigenen gescheiterten Familientraum verarbeitet. „Nur bitte frag nicht, wohin ich jetzt noch geh'“. Streicher weben einen dunklen Klangteppich, darüber tönt einsam das Klavier. Eigentlich müsste diese musicalhafte Nummer grauslicher Kitsch sein, doch Ciceros Zerknirschung ist so glaubwürdig, dass sie zum echten Herzwürger wird.
Am 24. März wurde Roger Cicero aus seiner Familie gerissen. Denn im Alter von nur 45 Jahren ist der Sänger gestorben, wie erst jetzt bekannt wurde. Der erfolgreiche Entertainer stand unmittelbar vor dem Start einer ausverkauften Tournee und hatte darum in den vergangenen Wochen jede Menge Promotion- und TV-Termine absolviert.
Nach dem Auftritt am 18. März im Bayerischen Rundfunk aber traten plötzlich beunruhigende neurologische Symptome auf, der Sänger wird ins Krankenhaus gebracht, wo sich sich sein Zustand unaufhaltsam verschlechtert. Ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben, stirbt Roger Cicero am Gründonnerstag an den Folgen eines Hirninfarkts. Genau dieselbe Diagnose hatten die Ärzte bereit 1997 beim Tod seines Vater, dem Jazz-Pianist Eugen Cicero, stellen müssen.
Als Elfjähriger schon auf der Bühne
Dabei schien der Sänger gerade erst von einem „akuten Erschöpfungssyndrom mit Verdacht auf Herzmuskelentzündung“ genesen, das ihn im vergangenen November dazu gezwungen hatte, alle Termine bis zum Jahresende abzusagen. Die damals unterbrochene Tour zu Ehren des 100. Geburtstag von Frank Sinatra sollte am 7. April fortgesetzt werden. Intensiv hatte sich der Sänger auf die Hommage an Sinatra vorbereitet, mit der er nach zwei smarten Pop-Alben zurückkehren wollte auf vertrautes Terrain, zu Jazz und Swing, den Genres mit denen er musikalisch aufgewachsen ist.
Bereits als elfjähriger Steppke durfte der 1970 geborene Berliner im Vorprogramm der Diseuse Helen Vita auftreten, mit 16 begleitete ihn das Rias-Tanzorchester bei seinem ersten Fernsehauftritt. Nach dem Schulabschluss ging er zunächst an das Hohner-Konservatorium in Trossingen, studierte dann bis 1996 Jazzgesang an der Amsterdamse Hogeschool voor de Kunsten in Hilversum. 2003, in dem Jahr, in dem er sein Roger-Cicero-Quartett gründete, konnte er auch beim berühmten Jazzfest in Montreux debütieren. Einem breiten Publikum ist sein Name seit 2007 ein Begriff, als er mit dem Lied „Frauen regier'n die Welt“ den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest gewann. Dass Roger Cicero beim Wettsingen in Helsinki dann nur den 19. von 24. Plätzen belegte, tat seiner Karriere keinen Abbruch.
Er begeisterte mit seiner positiven Art
Mit seiner Bigband schwamm er ganz oben mit auf der Swingwelle. Das 2006 veröffentlichte Album „Männersachen“ verkaufte sich über eine Million Mal. 2009 war er erstmals auch auf der Leinwand zu sehen, im Film „Hilde“ mit Heike Makatsch, 2014 gehörte er zur Künstlertruppe, die aus der Vox-Sendung „Sing meinen Song“ einen Quotenhit macht.
Mit einem kernigen Bariton, der gleichzeitig sexy und lässig klingen kann, begeisterte Roger Cicero seine Fans. Und mit seiner positiven Art. Zwischen all den Jammerpop-Poeten leuchtete Cicero als Sonnyboy aus der deutschen Musikszene heraus. Dabei wirkte sein Optimismus nie aufgesetzt, vor allem nicht, wenn er die großartigen Jungs seiner Bigband hinter sich wusste. Die sorgten für den richtigen jazzigen Drive, steuerten sonnige Sounds bei und fuhren mit knackigen Bläsern dazwischen, wenn es zu sentimental wurde. Immer gab es da irgendwo ein scheinbar improvisiert hingetupftes Dubidu-Motiv auf dem Piano, eine frech dreinquakende Hammondorgel. Und jeder Song hatte mindestens einem Satz, den man sich merken wollte.
Kein Wunder also, dass sich Roger Cicero zum 100. Geburtstag von "old blue eyes Frank Sinatra anschickte, sich mit dem größten Crooner aller Zeiten zu messen. Ein halbes Jahr lang probte er mit seiner Truppe die neuen Arrangements der Evergreens, die er extra in Auftrag gegeben hatte, absolvierte diverse Testauftritte, zum Beispiel beim Berliner Classic Open Air auf dem Gendarmenmarkt im Sommer 2015, bevor er das Material für seine Sinatra-CD dann Anfang September bei zwei Konzerten in Hamburg mitschneiden ließ. Parallel veröffentlichte er auch noch eine weitere CD in Quartett-Besetzung, auf der er Popsongs von Paul Simon, Nick Drake oder James Taylor verjazzte. Beide Alben sind nun zu seinem Vermächtnis geworden.
"Fassungslos und todtraurig"
Seine Sängerkollegen Xavier Naidoo und Annett Louisan zeigten sich über die Nachricht erschüttert. "Fassungslos und todtraurig! Ich vermisse Dich!", schrieb Naidoo auf Facebook, "Was für eine todtraurige Nachricht. Gute Reise, lieber Roger", schrieb Louisan. Der Trompeter Till Brönner schreibt auf Facebook, alle seien geschockt. "Sein Werk war noch lange nicht vollbracht und sein Talent in unserer Welt so dringend nötig. Du bist viel zu früh gegangen. Ich verneige mich vor Dir, Roger." Auch der Hamburger Rapper Jan Delay kondolierte auf Twitter: "hamburger, hutträger, prince-fan...tot.. bin sprachlos und erschüttert".
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