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Bruckner auf der Spur: der Rias Kammerchor.
© Matthias Heyde

Bruckner neu gehört: Seelenretter

Erstmals zusammengefügt: Der Rias Kammerchor singt Bruckners Trauermusiken im Kammermusiksaal.

Am offenen Grab versagt die Stimme im Angesicht der Endlichkeit allen Lebens. Niemand wusste das besser als der stets verlegen um Worte ringende Anton Bruckner. Bittere Ironie, dass der in jungen Jahren bereits vaterlose Sängerknabe dennoch der Familientradition folgte und zunächst die Lehrerlaufbahn einschlug. Trauer in Musik zu fassen, hat Bruckners Weg vom Katheder zur Orgelempore begleitet, ja auch geebnet. Seine ersten überlieferten Totenlieder komponierte er 1845 als unglücklicher Schulgehilfe und hoffnungsfroher Stiftsorganisten-Anwärter in St. Florian. Sie sind Teil eines Zyklus aller geistlichen Chorwerke Bruckners, die der Rias Kammerchor im Konzert vorstellt und unter Leitung von Lukas Borowicz auch auf CD aufnimmt.

An der aktuellen Wegmarke versammeln sich die Trauermusiken Bruckners, die im Kammermusiksaal erstmals aus der Urtext-Ausgabe von Benjamin-Gunnar Cohrs erklingen. Seine detektivische Detailarbeit findet im Konzert zu einer bewegenden Dramaturgie, in der das Zeitliche mit zartem Glanz gesegnet wird.

Für Männerchor komponiert Bruckner besonders einfühlsam

Dazu trägt wesentlich bei, dass Bruckner die alten Meister auf eine Art ehrt, die strenge Epochengrenzen überwindet. Chorlieder und Zwischenspiele für drei klagende Posaunen wechseln einander ab, umfasst von zwei Orgelfugen, die einen Funken davon in sich tragen, wie imposant die Improvisationen des Organisten Bruckner gewesen sein müssen. Die konkrete Trauer galt zumeist Bruckners Gönnern, Vorgängern im Amt und seinen Sangesbrüdern. Für Männerchor vermag der Komponist – wie sein Idol Wagner – mit besonderer Einfühlung zu schreiben, etwa im Trauerchor „Brüder, trocknet eure Zähren“, einer musikalischen Antwort auf das starrte Schweigen am Grab.

Nach der Pause widmen sich der Rias Kammerchor und die Akademie für Alte Musik Bruckners Requiem, das ihm 1848 einen Anerkennungsschub bescherte. Aufgeführt wie in einer Messe, inklusive gregorianischer Einschübe und beschließendem Antiphon, entfaltet sich eine Bitte um Errettung der Seele, der alle weltliche Eitelkeit fern liegt. Der Rias Kammerchor flüchtet sich hier nicht in beschönigendem Wohlklang, sondern beschreitet mit Bruckner unerschütterlich den herben Weg dorthin, wo das Paradies zu finden sein könnte.

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