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Der Rias Kammerchor
© Matthias Heyde

Rias Kammerchor und Akademie für Alte Musik: Pulverdampf im Konzertsaal

Der Rias Kammerchor und die Akademie für Alte Musik kommen mit einer Messe von Haydn und einer Symphonie von Paul Wranitzky ins Konzerthaus am Gendarmenmarkt.

Aus dem Foyer schallt Trommelwirbel, Trompeten blasen zum Angriff: Paul Wranitzky (1756–1808), ein jüngerer Zeitgenosse Joseph Haydns – dem es nicht vergönnt war, so bekannt zu werden wie jener, und nicht mal so lange zu leben – installiert ungeniert die Insignien des Krieges in seiner Symphonie c-Moll mit dem etwas umständlichen Namen „Grande Sinfonie caractéristique pour la paix avec la République française“. 1797, im Entstehungsjahr, war der Friede von Campo Formio gerade geschlossen, Österreich noch mal gerettet, Napoleon eingehegt – nicht für lange, wie man weiß.

Wranitzky hat den Sätzen sogar Erklärtitel beigesellt, „Marsch der Engländer“ oder „Schicksal und Tod Ludwig XVI.“ Klarer Fall von Programmmusik, einer die außermusikalische Realität quasi nachmalenden Kunst, wie sie sich in schwachen Stunden auch der große Beethoven erlaubt hat (Pastorale, Wellingtons Sieg). Voller Esprit nimmt sich die Akademie für Alte Musik im Konzerthaus des Werks an. Ein Unbehagen bleibt gleichwohl immer zurück, wenn Kunst so offensichtlich für politische (also Propaganda-)Zwecke eingespannt wird. Das ist ja bei manchen Hollywood-Produktionen auch nicht anders. Pointe am Rande: Kaiser Franz II., dessen Regentschaft Wranitzky mit dieser Symphonie eigentlich stützen wollte, lehnte die Aufführung als „zu politisch“ ab.

Versteckte Propaganda für die katholische Sache – so die These des Programmhefts – betreibt auch Haydn mit seiner „Missa in tempore belli“. Vorwärtsdrängend, kaum je auf einem Punkt verweilend, gleicht sie einer Brandrede, die vor dem Atheismus der französischen Revolutionäre warnt. Mit sicherem Gespür für Dramatik wiederholt Haydn im Credo das Wort „passus“ („er hat gelitten“), steigt bei „sepultus est“ („er ist begraben“) in ganz tiefe Tonregionen, um auf „resurrexit“ in exaltierten Jubel auszubrechen. Der Rias Kammerchor errichtet himmlische Klanggebilde voller Fülle und Wärme. Bei den Solisten können Robin Johannsen (Sopran) und Andreas Wolf (Bass) überzeugen. Der Chor – er sucht bekanntlich einen Nachfolger für Hans-Christoph Rademann – wird von Debütant Lukasz Borowicz zwar etwas hastig, aber mit genau abgezirkelter Gestik dirigiert. Der Warschauer scheint ziemlich genau zu wissen, was er will.

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