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Coole Gravitas. Rosanna Arquette ist in „Das etruskische Lächeln“ nach langer Zeit endlich wieder im Kino zu sehen.
© Constantin

Comeback Rosanna Arquette: Schwestern, zur Sonne

In den Achtzigern war Rosanna Arquette ein Star – dann traf sie Filmproduzent Harvey Weinstein. Ein Gespräch über Hollywood-Karrieren, Machtmissbrauch und ihren neuen Film „Das etruskische Lächeln“.

Es gab eine Zeit, da war der Name Arquette in Hollywood fast unvermeidlich. Die Arquette-Geschwister bildeten eine kleine Filmdynastie: Rosanna, in den Achtzigern das It-Girl der New Yorker Szene, dem die Rockband Toto einen Song widmete, ihre jüngere Schwester Patricia, Everybody’s Darling des 90er-Indiekinos, Bruder David, der zeitgleich mit Wes Cravens „Scream“-Filmen bekannt wurde, sowie die Jüngste Alexis, ebenfalls Schauspielerin und Sängerin. Die Transfrau starb 2016 an den Folgen der Immunschwächekrankheit Aids.

Doch irgendwann begann der Name Arquette langsam aus dem allgemeinen Bewusstsein zu verschwinden. Zuletzt schenkte Richard Linklater Patricia in „Boyhood“ eine ihrer schönsten Rollen, eine Hommage auch an das Muttersein – und eine Erinnerung daran, was es bedeutet, als Frau in Hollywood älter zu werden.

Rosanna Arquette hat diese Lektion längst gelernt, und sie ist ihr mittlerweile herzlich egal. Heute ist ihr die Aufmerksamkeit sogar peinlich. Vom Fenster des Hotelzimmers am Bahnhof Zoo kann man das riesige Plakat ihres neuen Films „Das etruskische Lächeln“ kaum übersehen, es zeigt sie und ihren Filmpartner Brian Cox. Arquette bittet ein wenig kokett, das Interview nicht in Sichtweite des Plakats zu führen, obwohl der Blick über den Tiergarten sie an den Central Park und ihre Geburtsstadt New York erinnert.

Filme mit Arquette haben heute Seltenheitswert

Silberne Boots, schwarze Hose, roter Pullover mit der Aufschrift „Right On Sister“: Rosanna Arquettes Auftritt ist eine Ansage. Sie im Kino zu sehen, hat heute Seltenheitswert, und lange Zeit hat man daran auch keinen weiteren Gedanken verschwendet. Bis sie vor einem halben Jahr an die Öffentlichkeit trat und Harvey Weinstein beschuldigte, ihre Karriere sabotiert zu haben. Arquette gehört zu den Frauen, die Ronan Farrow in seiner Enthüllungsgeschichte über den Indie-Mogul zitiert, auch sie brachte das Schweigekartell Hollywoods ins Wanken. Rosanna Arquette hat nie geschwiegen, und musste darum mundtot gemacht werden.

„Das Problem mit Hollywood ist,“ sagt sie in Berlin ganz ohne Verbitterung, „dass die Menschen dem Tratsch Glauben schenken. Die Gerüchte, die dieser hässliche Oger Harvey Weinstein über Rose McGowan, Gwyneth Paltrow, Asia Argento oder mich verbreitete, wirkten wie Gift für unsere Karrieren. Er hat uns diskreditiert. Noch heute will mich in Hollywood keine Agentur vertreten.“ Die 58-jährige Arquette hat die Jahre über zwar kontinuierlich in der Filmindustrie gearbeitet, zuletzt war sie in der Serie „Ray Donovan“ zu sehen. Aber die großen Rollen bleiben schon lange aus.

Die Schöne und das Biest

Das soll laut Arquette mit einer Szene zu tun haben, die sich Anfang der neunziger Jahre im Beverly Hills Hotel zugetragen hat. Sie war mit Weinstein für den Thriller „Romeo is Bleeding“ verabredet, er empfing sie – standesgemäß, muss man inzwischen wohl sagen – im Bademantel auf seinem Zimmer. Arquette war von dem Treffen nachhaltig irritiert. Die Rolle bekam ihre Freundin Annabella Sciorra, die Weinstein heute der Vergewaltigung beschuldigt. Rosanna Arquette hat in den nächsten Jahren jedem, der es nicht hören wollte, von der Episode im Hotel erzählt. Alle wiegelten ab. Inzwischen hat sie ihren Frieden mit Hollywood geschlossen. „Ich werde keinem Regisseur den Arsch küssen, nur weil er einen großen Namen hat. Was Quentin Tarantino kürzlich über Roman Polanski gesagt hat, dass der Sex mit einer 13-Jährigen auf Drogen einvernehmlich gewesen sein soll, ist einfach dumm. Wenn mich meine persönliche Ansicht darüber eine Rolle in seinem neuen Film kostet, meinetwegen. Verstehen Sie mich mich falsch, ich schätze Quentin, ich habe mit ihm ,Pulp Fiction’ gedreht. Aber die Gewalt, den Rassismus in seinen Filmen, brauchen wir das heute wirklich noch?“

Die Entscheidung des israelischen Regieduos Oded Binnun und Mihal Brezis für ihr Spielfilmdebüt „Das etruskische Lächeln“ Rosanna Arquette eine Rolle anzubieten, erweist sich als goldrichtig. Arquette wertet die ansonsten nicht sonderlich bemerkenswerte Culture-Clash-Geschichte über einen todkranken Vater (Brian Cox), der zum ersten Mal seinen Geburtsort auf den schottischen Hebriden verlässt, und seinen Sohn (JJ Feild), der in San Francisco ein Star der Molekularküche ist, mit ihrer coolen Gravitas auf. Sie spielt eine Kuratorin, die dem knorrigen Highlander auf seine letzten Tage die schönen Seiten des Lebens zeigt. Man muss Binnun und Brezis lassen, dass ihnen ein toller Ensemblefilm mit einigen längst verschollen geglaubten Charaktergesichtern gelungen ist. Neben Arquette sind Peter Coyote, Tim Matheson und Treat Williams in Nebenrollen zu sehen.

Ein Herz fürs europäische Kino

Arquette hatte immer eine Vorliebe für europäisches Kino, gleich nach ihren ersten Erfolgen mit „Die Zeit nach Mitternacht“ von Martin Scorsese, Hal Ashbys „8 Millionen Wege zu sterben“ und dem Madonna-Starvehikel „Susan … verzweifelt gesucht“ von Susan Seidelman ging sie nach Europa, um mit Luc Besson „Im Rausch der Tiefe“ zu drehen. „Mein Herz schlägt für das europäische Kino, es interessiert mich mehr als Hollywood“, sagt sie über ihre frühe Rollenwahl. „Ich würde für mein Leben auch gerne mal mit Wim Wenders drehen. In Europa werden einfach die besseren Filme gemacht.“

Arquette hatte immer ein gutes Händchen für ihre Regisseure, zu ihren besten Erfahrungen gehören die Dreharbeiten zu David Cronenbergs J.-G.-Ballard-Verfilmung „Crash“ von 1996, in der James Spader Sex mit Arquettes frischer Amputationsnarbe hat. „Cronenberg ist verrückt“, erinnert sie sich lachend. „Ihm verdanke ich eine meiner besten Szenen.“

Die Distanz, die sie heute zu Hollywood pflegt, habe ihr geholfen, den Blick fürs Wesentliche zu schärfen. Vor 15 Jahren drehte sie „Searching for Debra Winger“, in dem sie mit Frances McDormand, Holly Hunter und Whoopi Goldberg über deren Erfahrungen in der Filmindustrie spricht. In Debra Winger („Ein Offizier und Gentleman“) sieht Arquette eine Geistesverwandte: In den achtziger Jahren galt sie als größter weiblicher Hollywoodstar, dann verschwand sie von der Bildfläche. „Jahrelang fragte man sich: Was ist mit Debra Winger passiert?“ meint Arquette. Für sie ist die Geschichte Wingers exemplarisch für die vieler Kolleginnen.

Heute engagiert sich Rosanna Arquette lieber gesellschaftlich. Sie freut sich zwar, wenn Lena Dunham sie als Hommage an ein Pop-Idol für einen Auftritt in „Girls“ anruft. Aber wichtiger ist ihr die Arbeit mit der LGBTQ-Community; nach dem Tod ihrer Schwester gründete sie eine Beratungsstelle für Trans-Menschen. „Schon meine Mutter war in die Bürgerrechtsbewegung aktiv, das ist meine Familiengeschichte. Ich hab ständig Ärger, weil ich meine Klappe aufreiße. Aber das ist okay.

In 7 Berliner Kinos; OV: Cinestar Sony Center, OmU: Kulturbrauerei

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