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Die US-amerikanische Filmemacherin und Autorin Lena Dunham.
© AFP

Lena Dunhams Buch "Not That Kind Of Girl": 18 unglaubliche Dinge über meine Vagina

Mit der Fernsehserie „Girls“ wurde Lena Dunham bekannt. In ihren Memoiren "Not That Kind Of Girl" erzählt die 28-Jährige vom Sex mit miesen Typen, Therapien und ihren Künstlereltern.

Ein Satz wie ein Köder: „Vielleicht bin ich die Stimme meiner Generation.“ Hannah Horvath schleudert ihn vor zwei Jahren in der ersten Folge der HBO-Serie „Girls“ ihren Eltern entgegen, die sie nicht mehr finanzieren wollen. Ziemlich verzweifelt und unter dem Einfluss eines Opium-Tranks schiebt die junge Autorin, die gerade an ihren Memoiren schreibt, noch hinterher: „Oder zumindest eine Stimme einer Generation.“ Trotz dieser Relativierung bleibt natürlich vor allem die Phrase „Stimme einer Generation“ hängen – der Kontext verblasst, der Slogan bleibt.

Hannah Horvath wird gespielt von Lena Dunham, die auch die Drehbuchautorin und Regisseurin der Serie ist. Ihr Ködersatz wurde von den Medien gierig geschluckt und auf die 1986 geborene Lena Dunham selber angewendet. Ein meisterhafter Marketingstunt, so beiläufig und geschickt ausgeführt, wie es wahrscheinlich nur jemand hinbekommt, der schon mit elf Jahren in der „Vogue“ altkluge Kommentare über Calvin Klein abgeben durfte und mit 16 eine vegane Dinner-Party veranstaltete, damit die „New York Times“ darüber berichten konnte.

Als Tochter der Künstlerin und Fotografin Laurie Simmons und des Malers Carroll Dunham ist die Regisseurin in New York aufgewachsen, schloss 2008 ein Creative-Writing-Studium in Ohio ab und kehrte in ihre Heimatstadt zurück. Ihren ersten Spielfilm „Tiny Furniture“ realisierte sie zwei Jahre später mit sich selbst in der Hauptrolle als orientierungsloser Collegeabsolventin, die zurück nach New York zieht. Ihre Mutter und ihre Schwester spielten ihre Mutter und ihre Schwester, gedreht wurde im elterlichen Appartement. Alle ihre Arbeiten haben solche offensichtlich autobiografischen Bezüge, so auch die mittlerweile drei „Girls“-Staffeln, in denen es um vier New Yorker Freundinnen geht. Sie sind alle Mitte 20 und kämpfen mit Mittelschichtskinderproblemen, die in diesem Alter gerade eben so anstehen: unbezahlte Langzeitpraktika, idiotische Jobs, verkorkste Beziehungen oder gar Jungfräulichkeit.

Lena Dunhams TV-Serie "Girls" ist nur halb so subversiv wie sie gern wäre

Vielfach wurde die mit zwei Golden Globes ausgezeichnete Serie als eine Art Anti-„Sex And The City“ bezeichnet, was allerdings nur teilweise zutrifft. Hannah, Marnie, Jenna und Shoshanna sind zwar jünger und ärmer als Carrie Bradshaw & Co., doch letztlich wird hier wie dort von den Lebens- und Liebesnöten von vier weißen, heterosexuellen New Yorkerinnen erzählt. Der einzige einschneidende Unterschied: Lena Dunham hat – anders als ihre drei konventionell hübschen Co-Darstellerinnen – keine Modelfigur. Sie ist um die Hüften etwas fülliger, was sie durch unvorteilhafte Kleidung betont und in zahlreichen Nackt- und Sexszenen immer wieder ausstellt.

Dass der Sex häufig als eine verstörende, auch peinliche Angelegenheit gezeigt wird, ist für eine Mainstream-Serie ebenso ungewöhnlich wie die Schonungslosigkeit, mit der Dunham sich selbst dabei in Szene setzt. Hier hat sie in der Tat eine Marktlücke gefunden, etwas Neues gewagt, wofür sie zu Recht gefeiert wird. Lena Dunham ist zu einer wichtigen Stimme ihrer Peer-Group aufgestiegen. Und weil viele Mitglieder dieser Schicht in den Medien arbeiten, gibt es einen anhaltenden Hype um sie. Das „Time Magazin“ wählte sie 2012 zur „Coolest Person of the Year“ und die „New York Times“ verglich sie kürzlich in einem Satz mit J. D. Salinger und Woody Allen.

Wie maßlos übertrieben das ist, zeigt ihr gerade erschienenes erstes Buch, für das Random House ihr rund drei Millionen Euro bezahlt haben soll. „Not That Kind Of Girl“ ist eine Mischung aus Erinnerungen, Ratgeberliteratur und Listen. Anders als in ihren Film- und TV-Werken zieht Dunham diesmal keine fiktionale Ebene ein, sondern erzählt direkt von sich. Was leider deutlich uninteressanter ist als die Erlebnisse ihres Alter Egos Hannah, das ja glücklicherweise auch nicht allein im Zentrum steht.

Lena Dunham hatte lange eine Vorliebe für miese Typen

Die US-amerikanische Filmemacherin und Autorin Lena Dunham.
Die US-amerikanische Filmemacherin und Autorin Lena Dunham.
© AFP

Das Hauptproblem von „Not That Kind Of Girl“ ist seine ermüdende Strukturlosigkeit. Statt etwa chronologisch zu erzählen, nimmt Dunham eine thematische Unterteilung vor: „Liebe & Sex“, „Körper, „Freundschaft“, „Arbeit“ und „Das große Ganze“ lautet ihre Kapitelunterteilung, angelehnt an den berüchtigten Frauen-Ratgeber „Having It All“ von Helen Gurley Brown aus dem Jahr 1982. Innerhalb dieser Kapitel fehlen Dunham jedoch Dramaturgie und Stringenz, was zu einem hypernervösen Häppchenstil führt. Vor allem in der ersten Hälfe hat man das Gefühl, man scrolle durch eine Facebook-Chronik oder ein Clit-Lit-Blog. Mit ihrer typischen, ans Exhibitionistische grenzenden Offenherzigkeit berichtet Dunham davon, wie sie lernte zu masturbieren, wie ihre Entjungferung ablief und wie sie im College vergewaltigt wurde, was ihr allerdings erst viel später klar wurde.

Lena Dunham versteckt sich hinter ihrem Redeschwall

Den Überblick bei ihren Bettpartnern, Bekanntschaften und Beziehungen zu behalten, fällt schwer. Die Liste der Jonahs, Jareds, Joaquins und Barrys ist lang, der Erkenntnisgewinn gering. Offenbar hegt Dunham trotz lebenslanger „feministischer Indoktrinierung“ und einem guten Verhältnis zu ihrem Vater eine Vorliebe für extrem miese Typen. Wie sie diese überwunden hat, lässt Dunham, die seit ihrem achten Lebensjahr in Therapie ist und inzwischen einen liebevollen Lebenspartner hat, im Vagen. Lieber springt sie zu einer Liste mit „18 unglaublichen Dingen, die ich mal beim Flirten gesagt habe“, einem Chatprotokoll oder einer zehnseitigen Aufzählung ihre täglichen Essensrationen. Sie versteckt sich hinter ihrem Redeschwall. Man erfährt in „Not That Kind Of Girl“ zwar, wie es in ihrer leicht nach rechts verschobenen Vagina aussieht, aber ihr Seelenleben bleibt verschlossen. „Ich finde nichts mutiger, als wenn jemand verkündet, dass seine Geschichte es wert ist, gehört zu werden, vor allem, wenn dieser Jemand eine Frau ist“, schreibt sie zu Beginn. Es gebe immer noch so viele Kräfte, die sich verschworen hätten, um die „Frauen in ihre Schranken zu weisen, unsere Sorgen für nichtig erklären, unsere Meinungen für überflüssig“. Da hat sie sicher recht, aber ein bisschen Substanzieller als in ihrem Bekenntnisbuch dürfte es schon zugehen.

Eigentlich hätte Dunham ja durchaus Spannendes zu berichten, das blitzt immer wieder auf. Zum Beispiel in dem Kapitel, in dem sie ihre Memoiren skizziert, die sie mit 80 zu schreiben gedenkt. Es solle unter anderem um Männer – offenbar aus der Filmbranche – gehen, die „sofort den Kontakt abbrachen, wenn sie merkten, dass ich niemandes Schützling, Schoßhündchen, persönlicher Fanclub oder Begleitperson sein würde“. Das hätte man gern genauer erfahren. Oder wie es sich anfühlt, sich irre ins Zeug zu legen, „damit ihnen dieser eine Gedanke niemals kam: Sie ist dumm. Keine Gefahr für uns“. Im Gegenteil: Dunham ist schlau, will es sich aber nicht mit den Filmmännern verscherzen und belässt es bei ein paar leicht zu überblätternden Seiten im Futur, auf denen sie ausnahmsweise niemanden beim Namen nennt. Nein, sie ist nicht dumm, nur ein bisschen feige. Und sicher keine Gefahr für irgendwen.

Lena Dunham: Not That Kind Of Girl. Aus dem amerikan. Englisch von Joana Avillez, Sophie Zeitz und Tobias Schnettler.S. Fischer, Frankfurt am Main 2014. 304 Seiten, 19,99 €

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