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Bayreuther Festspiele: Schrille Töne auf dem Grünen Hügel

Der "Ring"-Dirigent Kirill Petrenko kritisiert die Festspielleitung scharf: "Würdelos" nennt er den Umgang der Festspiele mit Eva Wagner-Pasquier und dem bisherigen Siegfried-Sänger Lance Ryan.

Mit den steigenden Sommer-Temperaturen steigt in Bayreuth am Festspielhügel auch die Aufregung. Und die Anspannung. Ein bisschen ist das jedes Jahr so, bevor die Festspielsaison am 25. Juli beginnt, aber dieses Mal scheint die Lage besonders ernst zu sein. Dass der sonst in der Öffentlichkeit extrem schweigsame Dirigent Kirill Petrenko sich deutlich zu Wort meldet, lässt jedenfalls nichts Gutes ahnen. Der Wirbel um ein angebliches Hügelverbot für die scheidende Festivalchefin Eva Wagner-Pasquier und die Umbesetzung der Siegfried-Partie in seinem „Ring des Nibelungen“ unter Regie von Frank Castorf haben den Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper zu einer seiner seltenen Stellungsnahmen veranlasst. "Nur die Verantwortung und der Respekt meinen Kollegen in Bayreuth gegenüber, die ich nicht so knapp vor Beginn der Proben im Stich lassen kann, hält mich davon ab, meine Mitwirkung aufzukündigen," heißt es darin.

Zerstritten? Eva Wagner-Pasquier (l.) mit ihrer Halbschwester Katharina Wagner 2013 auf einer Pressekonferenz. Wagner-Pasquier scheidet im Herbst aus der Festspielleitung aus, Katharina Wagner ist dann die einzige Chefin auf dem Grünen Hügel in Bayreuth.
Zerstritten? Eva Wagner-Pasquier (l.) mit ihrer Halbschwester Katharina Wagner 2013 auf einer Pressekonferenz. Wagner-Pasquier scheidet im Herbst aus der Festspielleitung aus, Katharina Wagner ist dann die einzige Chefin auf dem Grünen Hügel in Bayreuth.
© dpa

Außerdem schreibt der "Ring"-Dirigent Petrenko: „Ich bin zutiefst irritiert in Bezug auf den unprofessionellen und völlig würdelosen Umgang der Bayreuther Festspiele mit der Festspielleiterin Eva Wagner-Pasquier und dem Darsteller Lance Ryan, den zwei Persönlichkeiten, die mein bisheriges künstlerisches Wirken in Bayreuth maßgeblich mitgetragen haben.“ In der Vorwoche war bekannt geworden, dass Lance Ryan nicht mehr die Siegfried-Partie in Bayreuth singt, sondern durch Stefan Vinke ersetzt wird. Ryan war im Festspielhaus ausgebuht worden, Festivalsprecher Peter Emmering sprach vergangene Woche jedoch von einem normalen Vorgang im dritten Jahr von Frank Castorfs "Ring" - es gibt auch zahlreiche weitere Umbesetzungen.

Er verspüre eine sehr große Vorfreude auf die Festspiele, teilt Petrenko weiter mit. Deshalb habe er im Vorfeld viele Kompromisse akzeptiert. „Die Ereignisse der letzten Wochen markieren allerdings eine Grenze, die ich nicht kommentarlos stehen lassen kann. Wo Wagner drauf steht, muss vor allem Mensch drinnen sein - das ist ja die erste Prämisse, die wir aus seinem Werk lernen."

Die Festspiele beginnen am 25. Juli mit „Tristan und Isolde“ in einer Neu-Inszenierung von Festspielchefin Katharina Wagner, sie enden am 25. August. Wenn ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier im September ausscheidet, wird Katharina Wagner die alleinige Hügelchefin sein. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte am Freitag über ein angebliches Hügelverbot für Wagner-Pasquier berichtet. Dirigent Christian Thielemann, der den „Tristan“ dirigieren wird, soll dabei eine Rolle spielen. Dazu teilen zwei Gesellschafter der Festspiele, der Freistaat Bayern und die Mäzenatenvereinigung Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, mit: „Die im Artikel angesprochene Causa der Geschäftsführerin der Bayreuther Festspiele GmbH, Frau Eva Wagner-Pasquier, steht in keinerlei Zusammenhang mit irgendwelchen Forderungen von Seiten Herrn Christian Thielemanns.“ Weitere Gesellschafter sind die Stadt Bayreuth und der Bund. Von ihnen gab es bisher keine Stellungnahme.

Nun fragt sich, ob Wagner-Pasquier tatsächlich aufgefordert wurde, sich vom 1. Juni bis zum 20. Juli vom Grünen Hügel fernzuhalten. Er habe einen entsprechenden Brief erhalten, sagt ihr Anwalt Peter Raue. Auch soll Wagner-Pasquier in künstlerischen Vertragsangelegenheiten und beim Casting kein Mitspracherecht mehr haben. Raue merkte dann aber, dass es gar keinen offiziellen Beschluss dazu gibt. Georg von Waldenfels, Chef der Mäzenatenvereinigung, sagt dazu, dass man ja nach ihrem Ausscheiden aus der Geschäftsführung einen Beratervertrag mit ihr anstrebe. Das zeige, dass man sie weiter einbinden wolle. Garantiert werde sich niemand hinstellen und der Urenkelin Richard Wagners den Zugang zum Grünen Hügel verwehren.

Wagner-Pasquier selbst äußert sich nicht. Sie gilt als zurückhaltend, die Öffentlichkeit meidet die 70-Jährige meistens. Den Part der
Repräsentantin hatte von Anfang an die deutlich jüngere Katharina übernommen. Das Wort vom Hügelverbot dürfte jedoch bei Wagner-Pasquier unangenehme
Erinnerungen wecken: Sie war in Bayreuth die rechte Hand ihres Vaters, des langjährigen Festspielchefs Wolfgang Wagner. Doch dann kam es zum
Bruch: Wolfgang Wagner ließ sich von seiner ersten Frau Ellen Drexel scheiden, um seine Mitarbeiterin Gudrun Mack zu heiraten - die nur ein Jahr älter
war als Eva. Die Tochter musste Bayreuth im Streit mit dem Vater verlassen. Zu einer Wiederannäherung kam es erst 2008. Wolfgang machte
schließlich Platz für die Halbgeschwister Eva und Katharina als Nachfolgerinnen in seinem Amt. dpa/Tsp

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