"Laura war hier" im Grips Theater: Schon wieder weg
Moderne Familienmodelle für Kinder, stereotypenfrei geschrieben und schnörkellos umgesetzt: „Laura war hier“ im Grips Theater ist ein rundum gelungenes Stück.
Es gibt richtige Familien. Und falsche. Findet Laura. Die Sechsjährige hat das Gefühl, im Hinblick auf die eigene Lebensgemeinschaft zu kurz gekommen zu sein. Die besteht aus ihr selbst, ihrer Mutter sowie einem Kinderfahrrad im Leopardenlook, genannt Pardi. Da fehlt was. Ein starker Vater zum Beispiel. Ein Tablet. Und Pizza zum Abendessen. Außerdem verteidigt die gestresste Mama ihre Tochter noch nicht mal gegen die ungerechten Motzereien des Hausmeisters Wesekus, aka Käsefuß. In Lauras Lieblingswerbespot („Pizza Famosa“) geht's jedenfalls ganz anders und viel kompletter zu.
Die ersten Zeilen des dazugehörigen Songs (Refrain: „Pizza Famosa und die Welt ist rosa“) genügen schon, um selbst im hintersten Indien wohliges Wiedererkennungs-Behagen auszulösen: na klar, Grips-Theater! „Laura war hier“ heißt das neue Stück der Kinderbuchautorin Milena Baisch, die am Grips schon einen Erfolg mit der Freundschaftsfabel „Die Prinzessin und der Pjär“ hatte – unter anderem ausgezeichnet mit dem „Mülheimer KinderStückePreis“. Inszeniert hat es Rüdiger Wandel, einer der Top-Routiniers am Hansaplatz („Eins auf die Fresse“, „Linie 2 - Der Albtraum“). Die Liedtexte stammen von Volker Ludwig höchstselbst. Mehr Grips-Geist geht kaum.
Das Ensemble agiert auf höchstem Hansaplatz-Niveau
Das gilt auch für die Geschichte. Laura (erfrischend trotzig von Amelie Köder gespielt) hat die Nase voll und beschließt, sich in ihrem Berliner Mietshaus eine neue Familie zusammen zu suchen. Mit Papa und Geschwistern. Patchwork aus Kinderperspektive eben. Im schönen und multifunktionalen Bühnenbild mit wechselnder Wohnlandschaft vorne und Treppenhaus hinten (Jan A. Schroeder) nimmt eine Stationenkomödie ihren Lauf, die der jungen Heldin das breite Spektrum moderner Familienmodelle vor Augen führt. Laura trifft die pubertierenden Hipster-Geschwister Audrey (Nina Reithmeier) und Charlie (Patrik Cieslik) nebst Baby-Bruder Elvis. Oder den Nachbarsjungen Justin, der mit Gideon (René Schubert) und Frederik (Lorris André Blazejewski) gleich zwei Väter hat, noch dazu solche, die rekordverdächtig ausdauernd mit ihm spielen. Was Laura erstmal in ihr heteronormativ geprägtes Weltbild einsortieren muss: „Zu einer richtigen Familie gehört ein verheiratetes Ehepaar!“ Sie bekommt gewöhnungsbedürftige Süßspeisen beim iranischstämmigen Übersetzer Omid und seiner Nichte Azita serviert. Und sie findet in der leicht verschusselten Ex-Eisenbahnerin Oma Nelly die Großmutter, die schließlich auch zu einer „richtigen“ Familie gehört.
Derweil ist die besorgte Mutter (Esther Agricola) der Ausreißerin auf den Fersen, bekommt aber an jeder Tür nur zu hören: „Laura war hier, ist aber schon wieder weg“. Verschärft wird diese muntere Hatz durch Hausmeister Wesekus, der als Blockwart mit Wischmopp in den unpassendsten Momenten zwischen Keller und Dachgeschoss auftaucht. Laura, soviel steht fest, fügt sich bestens in die lange Ahnen-Reihe kindlicher Grips-Heldinnen. Milena Baisch beweist einmal mehr, dass sie ein stereotypenfreies, warmes und witziges Erzählen beherrscht. Regisseur Wandel setzt die Geschichte schnörkellos um. Das Ensemble, in dem viele in Mehrfachrollen spielen, agiert auf höchstem Hansaplatz-Niveau. Kurzum: „Laura war hier“ ist rundum geglücktes Kindertheater, nicht nur für Grips-Nostalgiker.
nächste Vorstellung:, Mo, 13.2.