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Blockbuster. 5,2 Millionen Polen sahen den kirchenkritischen Film „Kler“, mit Arkadiusz Jakubik als Priester.
© Kino Swiat/Reuters

Zentralisierung von Polens Filmindustrie: Schlag gegen die Freiheit der Künste

Gängelung trotz des großen Erfolgs der letzten Jahre: Die PiS-Regierung will Polens Filmindustrie zentralisieren und so mehr Kontrolle ausüben.

Als Re-Stalinisierung des polnischen Kinos bezeichnen Filmschaffende das jüngste Vorhaben von Kulturminister und Vizepremier Piotr Glinski. Mit einem Schlag will der PiS-Politiker die seit über 60 Jahren gut funktionierende Filmlandschaft vereinheitlichen und alle staatlichen Unternehmen zusammenführen. Es gehe um effektiveres Management der finanziellen, räumlichen und personellen Ressourcen und um niedrigere Verwaltungskosten, heißt es offiziell.

Zur neuen Institution gehören die Hauptproduktionsfirma für Spiel- und Dokumentarfilme, eine weitere für Kurz- und Animationsfilme sowie sechs staatliche Produktionsfirmen, die sogenannten Filmgruppen. 1955 entstanden, waren sie einmalig im Ostblock. Neben einigen wenigen unabhängigen Firmen verantworteten sie den Löwenanteil der polnischen Filmproduktion, führten selbstständig ihre Geschäfte, entwickelten oft einen charakteristischen Stil und wurden nicht selten von herausragenden Regisseuren wie Andrzej Wajda, Jerzy Kawalerowicz oder Krzysztof Zanussi geleitet. Trotz der Kontrolle von Partei und Zensur war die polnische Kinematografie auf diese Weise insgesamt weitgehend unabhängig, bis heute. Die Filmemacher genossen Respekt, auch bei den Machthabern.

Warnung vor zentralistischem Moloch

Jetzt sollen die Filmgruppen erstmals als Bittsteller auftreten, gehen sie doch in einer übergeordneten, weisungsbefugten Einrichtung auf, die sowohl über die Inhalte entscheidet als auch über Finanzierung und Administration. Auch soll das unifizierte Unternehmen Hauptansprechpartner für hochbudgetierte ausländische Koproduktionen sein.

Die Realisierung des Reformprojekts ist bereits für März angekündigt, wobei bislang weder der Name noch die Leitung der neuen Institution bekannt gegeben wurde. Der Kulturminister betont, das Unternehmen könne jährlich bis zu 100 Millionen Zloty (23 Millionen Euro) umsetzen – was es als Geschäftspartner für ausländische Produzenten attraktiv macht.

Der Vorsitzende des polnischen Filmverbands, Jacek Bromski, warnt vor einem zentralistischen, schwer lenkbaren Moloch. Die Filmemacherin Agnieszka Holland, Vorsitzende der Europäischen Filmakademie, wirft dem Minister vor, ohne Rücksprache mit der Branche zu handeln. Tatsächlich wurde die Initiative lange geheimgehalten und erst einen Tag nach Weihnachten publik gemacht.

Der Staat will die Kontrolle

Niemand aus der Filmszene wusste davon. Zudem wirkt befremdlich, dass die polnische Filmindustrie ausgerechnet jetzt „reformiert“ werden soll, in Zeiten großer internationaler Erfolge. 2018 erhielt Pawel Pawlikowskis „Cold War“ den Europäischen Filmpreis und vier weitere Auszeichnungen der European Film Academy; in Cannes gewann Pawlikowski eine Palme für die beste Regie. Bei der Berlinale ging der Große Preis der Jury an „Twarz“ (Die Maske) von Malgorzata Szumowska (deutscher Start: 14. 3.), und Olga Chajdas Debütfilm „Nina“ wurde beim Filmfest Rotterdam mit dem Hauptpreis geehrt. Auch auf den Oscar-Shortlists finden sich zwei polnische Filme, nicht zu vergessen der Riesenerfolg von „Kler“. Wojciech Smarzowskis Drama über pädophile Priester und andere Delikte in der katholischen Kirche erreichte in Polen sagenhafte 5,2 Millionen Zuschauer.

Ist der Kulturminister mit alledem nicht zufrieden? Die angepriesenen Synergie-Effekte richten sich in Wahrheit gegen die künstlerische und thematische Unabhängigkeit des polnischen Films. Der Staat will die Kontrolle, will mehr Unterhaltungsfilme mit pseudopatriotischen Motiven für ein Massenpublikum und wohl auch eine klare Weichenstellung für den seit drei Jahren von PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski gewünschten Film, der seinem tragisch verstorbenen Zwillingsbruder und ehemaligen Präsidenten Lech Kaczynski ein Denkmal setzen soll. Die Rede ist von einer Mitwirkung Hollywoods – und von Mel Gibson in der Hauptrolle.

Ein bereits bewährtes Modell der Regierung

Marginalisiert wäre mit der neuen Struktur auch das 2005 ins Leben gerufene Polnische Filminstitut, das zwar unter staatlicher Aufsicht steht, die Filmförderung jedoch weitgehend selbstständig organisiert. Nun soll die zentrale Instanz entscheiden. Es ist etwa so, als ob das Medienboard Berlin-Brandenburg sich seine Förderentscheidungen von einer übergeordneten Stelle erlauben lassen müsste.

Dabei folgt die „feindliche Übernahme“ der Filmgruppen einem in PiS-Zeiten bereits bewährten Modell. Auch bei Theatern, Museen, Kunst- und Literaturinstitutionen wurden zahlreiche Führungswechsel vollzogen, trotz energischer Proteste aus der Kulturwelt. Wurde die Kritik zu laut, rief man kurzerhand eine übergeordnete Stelle ins Leben, die das letzte Wort hat. Eigentlich hofft die Branche auf Vernunft seitens der Politik, mit Blick auf die aktuellen nationalen und internationalen Erfolge des polnischen Films. Aber es sieht eher so aus, als komme der polnische Mosfilm – ein zentralisiertes Staatskino, mit Abhängigkeitsverhältnissen, wie es sie in den 50er und 60er Jahren in der Sowjetunion gab.

Jagoda Engelbrecht

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