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Piotr Glinski
© dpa

Rechtsruck in Polen: Das versuchte Verbot

Kulturkampf in Polen: Die neue Rechtsregierung will die Aufführung eines Jelinek-Stücks verbieten lassen. Liberale halten dagegen. Doch der Druck aus Warschau wird stärker.

„Du Sodomit! Du schwule Sau!“ Mit solchen Kraftsprüchen wurden die Besucher einer Theateraufführung im polnischen Breslau (Wroclaw) am Wochenende empfangen. Mitglieder der rechtskatholischen Gebetsinitiative „Rosenkranz-Kreuzzug“ sowie gewaltbereite Rechtsradikale der „Bewegung für die Wiederauferstehung Polens“ hatten den Eingang des „Polnischen Theaters“ abgeriegelt. Für die Premiere von „Der Tod und das Mädchen“ der österreichischen Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek hatte die polnische Theaterregisseurin Ewelina Marcinak zwei Pornodarsteller aus Tschechien verpflichtet, die im schrillen Discolicht angeblich einen Geschlechtsakt auf der Bühne vollziehen sollten.

Das war zu viel, für die selbsterklärten Hüter der Moral ebenso wie für die neue polnische Regierung. In einem eindringlichen Appell forderte Kulturminister und Vizeregierungschef der Kaczynski-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), Piotr Glinski, die Absage der Premiere; das umstrittene Stück sollte ganz aus dem Programm gestrichen werden. Die niederschlesische Regionalregierung unterstützte dagegen das Theater: Die Premiere fand statt – allerdings unter starkem Polizeischutz.

Die Kämpfe zwischen älteren Rosenkranz-Aktivisten und jugendlichen Rechtsradikalen auf der einen sowie Kulturfreunden auf der anderen Seite hatten 20 Festnahmen und mindestens einen Verletzten zur Folge. Es ist der Höhepunkt einer bereits längeren Auseinandersetzung. Die Erfolgsbühne hatte bereits vor dem Erdrutschsieg der Kaczynski-Partei, die im Wahlkampf eine moralische Revolution und mehr Patriotismus versprochen hatte, Probleme mit dem Jelinek-Stück. Auch Lokalabgeordnete der bis Ende Oktober regierenden rechtsliberalen Bürgerplattform hatten sich an den pornografischen Szenen gestört. Bisher wollte jedoch niemand das Stück verbieten.

„Noch hat dies auch die Lokalregierung nicht getan“, sagte der Theaterdirektor Krzysztof Mieszkowski am Montag der Zeitung „Gazeta Wyborcza“. Allerdings sei mit massivem Druck aus Warschau zu rechnen. Erstmals seit der demokratischen Wende von 1989 habe eine Regierung versucht, eine Theaterpremiere zu verbieten. „Das ist ein Verfassungsbruch“, schimpft er und fordert Glinski zum Rücktritt auf. Unterstützt wird er dabei von der kleinen, liberalen Oppositionspartei „Die Fortschrittliche“. Der Streit um die Jelinek-Aufführung verschafft der liberalen Newcomerpartei viel Publizität. Und er führt vor Augen, was einer ganzen Reihe von polnischen Bühnen und Kulturinstitutionen drohen könnte, wie viele befürchten.

Nicht von ungefähr ist in der neuen Regierung nicht der Verteidigungs-, sondern der Kulturminister gleichzeitig der Vizeregierungschef. Gerade im kulturellen Bereich plant die neue Kaczynski-Regierung einige Korrekturen. So kündigte Glinski etwa an, eine ganz Reihe von Historienfilmen staatlich finanzieren zu lassen – mit dem Ziel, die angeblich vernachlässigte polnische Geschichte mit ihren Heldengeschichten international bekannter zu machen. Das verwundert insofern, als gerade 2014/15 polnische Filme mit Storys rund um den Zweiten Weltkrieg Furore machten, etwa „Misto ’44“ über den Warschauer Aufstand oder auch „Ida“ über das polnisch-jüdische Verhältnis. Allerdings schwebt der PiS Traditionelleres vor, Genrekino ohne Sex und zweifelnde Helden.

Nun können die Filmschaffenden im Zweifel auf alternative Geldquellen etwa aus der Privatindustrie oder aus EU- Fonds zurückgreifen. Im Theater ist das schwierig, weshalb bei den Bühnenregisseuren jetzt Nervosität herrscht. Viele haben Freunde in Ungarn, wo nach der Machtübernahme Viktor Orbáns ab 2010 gleich mehrere Intendanten entlassen wurden. Man hofft jedoch, dass die PiS sich an Verträge hält und Kulturschaffende nicht mitten in ihrer Amtszeit abberuft. Krzysztof Mieszkowskis Vertrag als Theaterdirektor läuft bis August 2016. Er will sich für eine weitere Amtszeit bewerben und hofft auf Fairness statt Rache, wie er am Montag sagte.

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