Ingeborg-Bachmann-Preis: Ruf und Bedeutung
Vergangene Woche wurden die Teilnehmer des 40. Bachmann-Preislesens bekanntgegeben. Schön globalisiert, diese Literatur - nur die Existenz des Wettbewerbs steht weiter auf der Kippe.
Als vergangene Woche das Teilnehmerfeld der diesjährigen, vom 29. Juni bis 3. Juli dauernden „Tage der deutschsprachigen Literatur“ bekannt gegeben wurde, besser bekannt als Bachmann-Wettbewerb, war die Reaktion darauf bescheiden. Sie hatte etwas von zKg, abgekürzt für: zur Kenntnis genommen. Aber so ist das mit diesem alljährlich in Ingeborg Bachmanns Geburtsort Klagenfurt ausgerichteten Wettbewerb: Er gilt einerseits schon mal als „bedeutendster Literaturwettbewerb“ im deutschsprachigen Raum, was sicher auch an den 25 000 Euro Preisgeld für den Siegertext liegt. Andererseits wird viel über ihn gemosert, gar seine Abschaffung gefordert, gern auch von der Literaturkritik: Weil es zu wenig gute Literatur und zu viel Mittelmaß gebe. Weil man kaum Entdeckungen machen könne. Weil der Wettbewerb eine eigene Textform hervorgebracht habe, mit Siegern und Siegerinnen wie Kathrin Passig, Tex Rubinowitz oder Nora Gomringer, die in ihrem gesamten noch vor ihnen liegenden Schreibleben allesamt keine Uwe Tellkamps oder Clemens Meyers werden (das aber auch nie vorhatten).
Und dann ist da noch der ORF, der Hauptsponsor des „Bewerbs“, wie er auf Österreichisch heißt, der diesen durch seinen Partnersender 3-Sat auch live übertragen lässt. 2013 gab es beim ORF Überlegungen, den Wettbewerb aus Kostengründen einzustellen, der Sender sollte in den kommenden Jahren viel Geld einsparen. Das konnte noch einmal abgewendet werden (der Ruf! die Bedeutung! die Kultur!), doch ob die Abschaffungssache damit vom Tisch ist, bleibt fraglich. Dass richtig gespart wird, war im vergangenen Jahr auffällig: am Bühnenbild, an den Preisen (gibt nur noch vier statt fünf), an den Buffets beim Eröffnungsabend und beim Bürgermeisterinnenempfang (belegte Brote hier, ausschließlich Nudeln dort). Gerüchte, dass es nun wirklich bald vorbei sei, gingen wieder um, der diesjährige Jubiläumswettbewerb, der vierzigste nämlich, werde wohl der letzte sein.
Doch wer weiß das schon, außer die Verantwortlichen beim ORF? Das Programm 2016 ist jedenfalls durchaus vielversprechend, auch ohne einen Popstar wie 2015 Ronja von Rönne. Es zeigt, dass die junge, so man sie denn bei einer Geburtsjahrspanne von 1944 bis 1986 als solche noch bezeichnen will, deutschsprachige Gegenwartsliteratur eine durch und durch globalisierte ist.
Stefanie Sargnagel ist der Popstar dieses Jahrgangs
Die vierzehn Autoren und Autorinnen stammen aus acht Nationen, darunter sind der in einem Kibbuz geborene und in Tel Aviv lebende Tomer Gardi, die in London geborene und in Berlin lebende Sharon Dodia Otoo und die in Frankreich geborene und zeitweise in Aachen lebende Sylvie Schenk. Dazu kommen mit einem türkischen Familienhintergrund der unermüdliche und ewige Selim Özdogan sowie mit serbischen Wurzeln der Autor Marko Dinic. Und natürlich die üblichen Verdächtigen, die am Literaturinstitut in Leipzig studiert oder bei Literaturwettbewerben wie dem Open Mike in Berlin auf sich aufmerksam gemacht haben, so wie Isabelle Lehn, Sascha Macht oder Astrid Sozio. Auch mit dabei und womöglich der Popstar dieses Jahrgangs ist die Wiener Autorin Stefanie Sargnagel. Sie wurde via Facebook-Einträgen und weil sie schön white-trashig von ganz unten und ganz am Rand erzählt, schon zum Liebling des Feuilletons.
Mit der von Teilen der Literaturkritik gern eingeforderten „Welthaltigkeit“ dürfte dieser Jahrgang keine Probleme haben. Anders sieht das beim Drumherum aus, etwa der Eröffnung. Seit einiger Zeit wird die Eröffnungsrede, die Klagenfurter Rede zur Literatur, von Autoren und Autorinnen gehalten, die gewissermaßen aus dem inner circle stammen, so wie Maja Haderlap 2014 (gewann 2011) oder Peter Wawerzinek 2015 (gewann 2010).
Dieses Jahr spricht der langjährige Jury-Vorsitzende Burkhard Spinnen zur Eröffnung, und so richtig gespannt ist man darauf nicht: Hat Spinnen nicht jahrelang in Klagenfurt geredet? Ein Blick von außen ist immer besser, wegweisender. Aber das können sich die Verantwortlichen ja für das fünfte Lebensjahrzehnt dieses Wettbewerbs vornehmen.
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