Ronja von Rönne beim Bachmann-Preis: Jung und auf dem Sprung
Am zweiten Tag des Ingeborg-Bachmann-Preises zeigt sich die vermeintlich befangene Literaturkritik in Bestform - und Ronja von Rönne wird frühzeitig zur Siegerin erklärt.
Die Tage der deutschsprachigen Literatur, wie das Bachmannpreis-Lesen offiziell heißt, sind jedes Jahr auch die Tage der deutschsprachigen Literaturkritik – eine Leistungsschau der Groß-Kritik mehr noch als der Literatur, die weniger eingeführt, sondern im besten Fall jung und auf dem Sprung ist. Das findet dieses Mal noch stärkere Beachtung, weil es gerade mal wieder Mode ist, sich im Literaturkritikbashing zu üben. Meist tun das Leute, die selbst gar nicht hauptamtlich Literaturkritiker sind, sondern Verbrecher-Verleger oder Kulturzeitschriften-Redakteure. Die aber genau wissen, dass die „etablierte“ Literaturkritik so mies, korrupt und befangen wie nie ist, nur noch Empfehlungen ausspricht, keine Ahnung mehr von Literatur hat. Zudem geht diese Kritik, wie man gerade im Premium-Literaturmagazin Perlentaucher.de in einem Beitrag lesen konnte, überaus gern mit Verlegern „Hirschbraten in gediegenen Etablissements“ essen! Und unterhält sich dabei „betroffen“ über die Verlagskrise und damit zusammenhängende Einsparungen, die die bessere, jüngere, wildere Kritik außen vor lässt. Oje, oje!
Komisch und bezeichnend nur, dass sich das in Klagenfurt nicht bestätigt. Die Hirschbraten haben offensichtlich gut getan, die Kritik ist hier – wieder einmal – gut in Form. Die siebenköpfige Jury dreht und wendet die Texte, analysiert Erzählstrukturen- und Perspektiven, analysiert Inhalte und deren Bedeutungsebenen. Ja, sie stört sich korrekt an „Floskelbergen“, wie an diesem Freitagvormittag in Peter Truschners Erzählung über einen verzweifelten, gefährlichen Mann aus der RTL2-und-Hartz-IV-Welt; erkennt die Posen, Provokationen und Banalitäten in Ronja von Rönnes jugendlichem Unter-Null-und-Pop-Textchen mit dem Titel „Welt am Sonntag“, benennt von Rönnes Vorläufer von Kracht (richtig) bis Salinger (nicht falsch, aber komplett abgenutzt); und sie versteht es, wie im Fall des seltsamen Untergangs- und Zombie-Manifests von Falkner, die Leerstellen reiner Ästhetik mit realistischen Deutungen zu füllen.
Und, wer gewinnt?
Manchmal ist die Jury gar erfrischend unterhaltsam, so wie Neu-Juror Klaus Kastberger, der für sich einen Bester-Erster-Satz-Nebenwettbewerb bestreitet und von Rönne zur Siegerin erklärt: „Ich wache auf, und mir ist schlecht“. Und manchmal ist sie auch erstaunt über sich selbst, weil sie einen freundlichen, nur semifrechen, wenn nicht gar braven Beitrag wie den von Monique Schwitter über die Maßen gut findet, ohne dafür Argumente zu finden. Ob aber von Rönne einen Preis gewinnt? Vermutlich nicht, weil er zu sehr auf Effekt getrimmt ist, zu journalistisch, zu generationsverhaftet.
Gerrit Bartels
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