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Lichtzauber im Gebirge. Gabriele Münters Gemälde „Landschaft mit Hütte im Abendrot“ entstand 1908 in der Umgebung von Murnau.
© Kunstsammlungen Chemnitz, Museum Gunzenhauser, Punctum/ Bertram Kober

Fondation Beyeler in Basel: Rote Rinder auf gezackten Wiesen

Architekt Peter Zumthor wird die Fondation Beyeler in Basel erweitern. Die aktuelle Schau widmet sich der Münchner Künstlervereinigung „Der Blaue Reiter“.

Die Größe des Hauses passt schon länger nicht mehr zu seinem Gewicht. Denn was wäre Basel ohne die Fondation Beyeler? Eine Kunstmessestadt, gewiss. Aber Sam Keller, der wichtigste Mann der Art Basel wechselte schon 2008 in den noblen Vorort Riehen, um dort das Vermächtnis des Galeristen Ernst Beyeler zu hüten. Inzwischen zählt die private Sammlung mit Kunst der klassischen Moderne, der Keller als Direktor vorsteht, fast eine halbe Million Besucher jährlich. Es gibt Filmprogramme, Konzerte, Vorträge – die Stiftung platzt allein deshalb aus allen Nähten. Und natürlich wegen ihrer wechselnden Ausstellungen.

Inzwischen ist offiziell, dass Peter Zumthor einen Erweiterungsbau realisieren wird. Ein Gremium hat seinen Vorschlag ausgewählt, der Architekt überarbeitet ihn aktuell. Ein Datum für den Baubeginn nennt Keller ebenso wenig wie den Termin für die Vorstellung eines detaillierten Entwurfs, obwohl er für den Winter angekündigt war. Doch treiben lässt sich die Stiftung von niemandem. Schon die Finanzierung des auf 80 Millionen Franken geschätzten Projekts sagt viel über ihr Selbstverständnis: Einen erheblichen Teil hat der Präsident der Fondation Beyeler, Hansjörg Wyss, über seine eigene Stiftung finanziert. Und mit Zumthor demonstriert man Selbstbewusstsein. Er gilt nicht bloß als einer der besten und kompliziertesten Architekten, sondern stammt selbst aus Basel. Die Fondation Beyeler orientiert sich also diesmal nicht global wie noch in den neunziger Jahren, als der Italiener Renzo Piano den gläsernen Pavillon in Riehen entwarf. Zumthor, der Mann von nebenan, ist inzwischen so international wie die Stiftung selbst.

Keller hat die exquisite Sammlung mit dem Kunstmarkt vernetzt

Das verdankt sie ein Stück weit Keller. Er hat die exquisite Sammlung noch ein bisschen mehr mit jener Welt vernetzt, in der er zuvor als Messedirektor unterwegs war. Was das heißt, zeigt sich in der aktuellen Ausstellung „Kandinsky, Marc & Der Blaue Reiter“. Drei Jahrzehnte lang war die lose Künstlergemeinschaft aus München kein Thema mehr in der Schweiz. Nun sieht man hier museale Schätze aus Moskau oder New York wie Franz Marcs „Gelbe Kuh“ von 1911 neben Privatleihgaben, an denen Schilder das Fotografieren verbieten, weil ihre Besitzer es nicht möchten. Auch dank solcher selten gezeigter Werke vermag die Ausstellung das hierzulande sattsam bekannte Thema noch einmal neu auszuleuchten. Kurator Ulf Küster konzentriert sich auf den „Blaue Reiter“-Almanach von 1912, der Seite für Seite das egalitäre Verständnis der Gruppe demonstriert. Kinderzeichnungen, Volkstümliches, Tribal Art und eigene Arbeiten stehen hier unkommentiert nebeneinander. „Wir gingen mit der Wünschelrute durch die Kunst der Zeiten“, schreibt Marc im Vorwort des Manifestes, das einem die Augen für den Gleichklang des Schöpferischen in der Welt öffnen sollte.

Um den Almanach gruppieren sich rund 70 Werke, die während der kurzen, intensiven Freundschaft zwischen Marc und Kandinsky entstanden. Von ihrer Begegnung in Murnau bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der Kandinsky aus Deutschland und Marc an die Front zwang. Der russische Künstler und seine Freundin Gabriele Münter wohnten 1908 in München, ein Jahr später erwarb die Malerin ein Haus im pittoresken oberbayerischen Dorf Murnau. Das passte zum neuen, reformerischen Lebensstil der Städter. Und auch, weil Marc genau wie Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlenksy dort seine Sommer verbrachte. Es war ein Erweckungserlebnis, auf menschlicher wie künstlerischer Ebene, weil die Sonne an diesem Ort einen Lichtzauber veranstaltete, der den Himmel lila und die Berge rot leuchten ließ.

Kandinsky verabschiedete sich ins Abstrakte, Marc blieb verbindlich

Alle vier haben daraus gelernt. Ihre Bilder nehmen Bezug auf die Landschaft, obwohl es den malenden „Reitern“ nicht mehr um das Sichtbare und seine Abbildung ging. Sondern um ein Sichtbarmachen geistiger Inhalte. Der Schlüssel zu dieser Visualisierung aber war die Natur, mit der die Künstler unterschiedlich verfuhren. Kandinsky verabschiedete sich sukzessive von den Gegenständen in eine Welt der abstrakten Zeichen, die in Meisterwerken wie „Improvisation“ (1910) mündeten. Marc hingegen blieb verbindlich, erhob jedoch das Tier zur fühlenden Kreatur und zum Symbol einer mit der Welt versöhnten, mit wachsender Kriegsgefahr dann allerdings verstörten Existenz. Die übrigen ausgestellten Werke von Macke, Münter oder Jawlensky spielen in diesem Dialog eine Nebenrolle, dokumentieren jedoch den unbedingten Willen aller lose miteinander verbundenen Künstler zur Abkehr vom Gegenständlichen.

Reizvoll ist in Riehen auch die Präsentation. Pianos Bau erlaubt dank seiner großen Glasflächen den Blick auf die fernen Berge und nahen Felder. Bevor sich hier zur Jahrhundertwende vermögende Basler ihre Villen auf imposante Grundstücke setzten, war der Vorort bäuerlich geprägt. Sein erhaltener Rest setzt sich ins Verhältnis zu den Bildern mit ihren roten Rindern, blauen Pferden und gezackten Wiesen. Ob solch ein Diffundieren später auch bei Zumthor funktioniert, ist fraglich: Der Schweizer Architekt bevorzugt meist die steinerne Lösung. Die Natur aber wird sicher ein großes Thema um das künftige Gebäude. Der alten Dame, die das angrenzende Areal an die Stiftung verkauft hat, war es wichtiger, dass der Park samt Baumbestand erhalten bleibt als ihr ehemaliges Wohnhaus. Man hat ihr versichert, sagt Sam Keller, dass die Bäume bleiben und der Park später für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde. Genau wie der Park der Stiftung selbst. Die Fondation Beyeler, die 2017 ihr 20-jähriges Bestehen feiert, verändert sich mit dem Erweiterungsbau – und wird doch ein spezielles Stück Schweiz blieben.

Fondation Beyeler, Baselstrasse 101, Basel-Riehen; bis 22. Januar, Do-Di 10-18 Uhr, Mi 10-20 Uhr

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