Imi Knoebel: "Werke 1966 - 2014" im Kunstmuseum Wolfsburg: Rosa ist das neue Grün
Nachdem Malewitsch das schwarze Quadrat in die Welt brachte, entschied sich Imi Knoebel für Striche. Eine Gesamtschau im Kunstmuseum Wolfsburg zeigt die Suche des einstigen Beuys-Schülers nach Schönheit - und dem passenden Grünton.
Was macht einer, der überzeugt ist, in der Kunst kann nichts mehr kommen, nachdem Kasimir Malewitsch ein schwarzes Quadrat in die Welt gebracht und damit die Malerei in Gegenstandslosigkeit aufgelöst hat? Er zeichnet Striche, Tag für Tag. Füllt tausende Blätter. Noch als Kunststudent setzte Imi Knoebel zwischen 1966 und 1968 Linien auf Papier und Leinwand, dicke, dünne. Ein Sichfreizeichnen, eine mechanisch-meditative künstlerische Suche. Zwei dieser Linienbilder hängen am Anfang der Gesamtschau „Werke 1966–2014“, die das Kunstmuseum Wolfsburg dem Düsseldorfer Minimal-Art-Künstler nun ausrichtet. Was danach kommt, erst chronologisch, später beziehungsreich durcheinandergehängt, schichtet sich zu einem lebenslangen Spiel mit dem Genre Malerei.
Zunächst einmal löst sich Klaus Wolf Knoebel, wie der Künstler mit bürgerlichem Namen heißt, vom Tafelbild. Das große Vorbild Malewitsch scheint durch, wenn der Maler 1968 erstmals vier schwarze Rechtecke zu einem schräg gestellten Kreuz an die Wand hängt. An anderer Stelle wirft er weißes Licht auf die weiße Mauer und markiert so nur noch die Maße traditioneller Flachware.
Imi Knoebel hat bis heute den passenden Grünton nicht gefunden
Auch in den dreidimensionalen Raum geht der 1940 in Dessau geborene Knoebel. In Wolfsburg ist sein „Raum 19“ ausgestellt, die dritte von vier Versionen. Die Installation sieht aus, als habe jemand den Inhalt eines Lagerraums in der weite Halle des Kunstmuseums abgestellt. Aus Hartfaserplatten hat Knoebel Keilrahmen, Kuben, Platten und Halbkreissegmente gebaut und zusammengestellt, aufgetürmt, gestapelt. Holzschnitzel liegen wie in einer Werkstatt am Boden.
„Raum 19“, so verrät schon der Titel, ist die Übertragung des Ateliers, das Knoebel zusammen mit seinem Freund Rainer „Imi“ Giese an der Kunstakademie Düsseldorf beziehen durfte. Joseph Beuys, ihr Lehrer, hatte den beiden, Blinky Palermo und Jörg Immendorf das Studio zur Verfügung gestellt. Die Architektur im Kunstmuseum ermöglicht sogar die Draufsicht.
Überhaupt bietet die große Halle viele Perspektiven auf Knoebels Werk. Der Künstler hat die gesamt Höhe ausgenutzt. Drei diagonal gesetzte Wände durchschneiden den Raum, Lichtstrahlen fallen durchs Oberlicht und treffen auf geometrische Formen des Malers. Und auf Farben. Denn die entdeckt Knoebel Mitte der 70er Jahre für sich. Mit Imi Giese zieht er durch die Fachhandlungen auf der Suche nach einem passenden Grünton. Bis heute hat er ihn nicht gefunden – davon erzählt das Mehreck „Grünes Siebeneck“. Es ist rosa.
Imi Knoebels Suche nach Schönheit
Erstmals wird die achtteilige Serie „Schwules Bild“ (1976) ausgestellt. Hier dekliniert Knoebel die Möglichkeiten abstrakter Formen durch, vom Vollkreis in Schwarz über Mehrecke in Neon und Pastell und Cut-outs, die aussehen wie Reste eines Schnittmusters in Türkis. Die Arbeit sei der erste Versuch mit Farbkompositionen gewesen, sagt Kuratorin Marie- Amelie zu Salm-Salm. Sie spricht für den 73-Jährigen, denn der gibt ungern Auskunft über seine Kunst. Sie ist, was sie ist. Manchmal sendet er aber doch Botschaften: Auf Barnett Newman und dessen Werk „Who’s afraid of Red, Yellow and Blue“ antwortet der deutsche Kollege mit einem Gemälde in Rot, Gelb und Blau. Er nennt es „Ich nicht“.
Zur 800-Jahr-Feier der Kathedrale von Reims 2011 gestaltet Imi Knoebel die Fenster. Das hat ihm eine größere Popularität eingebracht. Denn anders als Gerhard Richter oder Jörg Immendorf ist er, gemessen an seiner Bedeutung für die Nachkriegskunst, der breiten Masse nicht bekannt. Das ist erstaunlich, denn sein Werk ist bei allem rigorosen Minimalismus und konzeptueller Strenge auch zugänglich. Knoebels Suche nach stimmigen Farbkompositionen darf man als Suche nach Schönheit verstehen.
"Ich mit ihm"
Die Ausstellung, die Knoebel selbst inszeniert hat, will ausdrücklich keine Retrospektive sein. Aber die Werke sind so gewählt, dass transparent wird, wie sich der Künstler im engen Radius minimalistischer Malerei und Bildhauerei in 50 Jahren immer wieder neu erfunden hat.
In den 80er Jahren, zehn Jahre nach dem Freitod Imi Gieses, setzt sich Knoebel mit dem Abschied des engen Weggefährten auseinander. Gemeinsam hatten sie die Werkkunstschule in Darmstadt besucht, schon damals nannten sich beide Imi und entdecken erst später, dass in diesem Pseudonym auch die Verschmelzung von „Ich mit ihm“ drinsteckt. Später wechselten sie zu Beuys nach Düsseldorf. Giese stirbt viel zu früh, Knoebel packt seine Trauer in zusammengeklappte Leitern, leere Fensterrahmen und frei stehende Geländer. Sie alle führen ins Nichts.
Kunstmuseum Wolfsburg, bis 15. Februar
Anna Pataczek
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