Nationalgalerie: Imi Knoebel: Ich mit ihm
Dialog mit einem Bauwerk: Der Künstler Imi Knoebel bestückt die Neue Nationalgalerie Berlin.
Der Neuen Nationalgalerie in Berlin geht es bekanntlich nicht gut. Diverse Scheiben sind gesprungen, das Fundament bröselt, die Stahlträger rosten. Doch nun wirkt die malade Schöne aus der Ferne wie mit Mullbinden umwickelt; jedes Fenster der gläsernen Halle ist mit weißer Farbe zugepinselt. Wird die Inkunabel der Moderne also endlich kuriert? Zwar hat die Sanierung des letzten Bauwerks von Mies van der Rohe noch nicht begonnen, aber ein Künstler hat dem Haus schon mal seine heilende Hand aufgelegt. Unter dem Titel „Zu Hilfe, zu Hilfe ...“ präsentiert der 1940 geborene Düsseldorfer Maler und Bildhauer Imi Knoebel hier sein Werk.
Das größte Ausstellungsstück legt sich wie ein Band um den 40 Jahre alten Bau. Auf den ersten Blick ist die weiße Bemalung der gläsernen Haut ein Affront, auf den zweiten eine Offenbarung. Was von außen wie die Blicke abweisende Beschichtung während einer Renovierung aussieht, erweist sich von innen als monumentales Gemälde, das der Architektur huldigt. Der sonst für seine Umgebung so durchlässige Glaskasten ist auf sich selbst zurückgeworfen; das offene Haus wird zum geschlossenen Raum. Die Qualität der spektakulären, sich selbst tragenden Halle, die von antiken Tempelbauten wie japanischer Architektur inspiriert ist, teilt sich ungestört mit und verwandelt sich in einen Ort zum Meditieren.
Allerdings werden auch die Mängel sichtbar: Die riesigen Fenster mussten im Laufe der Jahre zum Großteil durch unterteilte Scheiben ersetzt werden; die weiße Farbe verrät durch den helleren Ton und eine Fuge in der Mitte, um welche es sich handelt. Ein Kompromissloser war hier am Werk. Udo Kittelmann, der als Nachfolger von Peter-Klaus Schuster mit Imi Knoebel seine erste Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie präsentiert, kommt dies gerade recht. Kittelmann akzeptierte von der vorgefundenen Planung nur zwei Positionen, was den langen Leerstand seiner Häuser erklärt. Geblieben sind Janet Cardiff & George Bures Miller im Hamburger Bahnhof und nun Imi Knoebel – in Zusammenarbeit mit der Deutschen Guggenheim, die parallel eine Ausstellung Unter den Linden zeigt.
Mit Knoebel ist ein Klassiker gewählt, ein Künstler, der sich an Malewitsch, Mondrian und Mies van der Rohe orientiert. Seit einigen Jahren haben auch junge Maler und Bildhauer die Moderne wiederentdeckt und variieren munter das strenge Formenvokabular des Jahrhundertbeginns; auch deshalb lohnt sich ein Blick auf die Zwischengeneration. Mit Ernst Wilhelm Nay im Haus am Waldsee, Georg Karl Pfahler in der Galerie Ascan Crone, den Abstrakten der jungen Bundesrepublik in der Ausstellung „60 Jahre – 60 Werke“ im Martin-Gropius-Bau und nun Imi Knoebel ergibt sich in Berlin die Gelegenheit, diese Generation genauer zu studieren. Das Bedürfnis nach Rückversicherung ist nachvollziehbar, denn während des jüngsten Kunsthypes kamen viele Positionen ungeprüft auf den Markt.
Knoebel dagegen nimmt sich seine Kunst immer wieder neu vor, untersucht ihre Gültigkeit. Der Mann mit dem merkwürdigen Vornamen, den er sich mit seinem Künstlerfreund Rainer Giese Anfang der Sechziger gab, da die beiden sich stets mit den Worten „Ich Mit Ihm“ verabschiedeten, studierte bei Joseph Beuys in Düsseldorf – nicht weil ihm seine Kunst gefiel, sondern dessen kompromissloses Auftreten. In der Beuys-Klasse erschienen die beiden Imis wie vom anderen Stern, denn sie liebten die Konstruktivisten und lehnten die expressive Malerei eines Immendorff ab, der auch bei Beuys studierte. Überraschenderweise gab Beuys den Neulingen einen eigenen Raum gleich neben der überfüllten Klasse.
Jener Raum 19 wurde für Knoebel zur Keimzelle seines Schaffens. Hier entwickelt der junge Bildhauer sein Formeninventar, schichtete Quader aus Hartfaserplatten übereinander, lehnte einen Keilrahmen an den anderen, formte die Rundung der Rundbogenfenster ab. Jenes 1968 entwickelte Vokabular kehrt seitdem in seiner Kunst immer wieder. Das Ensemble „Raum 19“ ist auch in der Nationalgalerie erneut zu sehen, rechts und links hinter den originalen Garderoben im Erdgeschoss verborgen. Der Respekt vor der Architektur gebot es dem Künstler, seine Installation nicht einfach in der Mitte des Raums zu platzieren. Der Besucher erlebt also eine Begegnung der besonderen Art: Der Maler Knoebel erobert den Mies-van-der-Rohe-Bau im Handstreich und erweist ihm doch seine Reverenz, der Bildhauer Knoebel wiederum übt sich in Bescheidenheit, schlägt zugleich selbstbewusst den Bogen zu den russischen Avantgarden und fragt wie sie: Was sind die Grundlagen von Kunst, wozu brauchen wir sie überhaupt?
Diese kämpferische Haltung zeigt sich auch in seiner Arbeit „Ich nicht“, die der Ausstellung der Deutschen Guggenheim den Titel verlieh. „Ich nicht“ lautet Knoebels Antwort auf Barnett Newmans perfide Frage „Who is Afraid of Red, Yellow, and Blue?“, mit welcher der amerikanische Maler sein berühmtes Gemälde in der Neuen Nationalgalerie betitelte. Im Vergleich zu den weißen, grauen und braunen Tönen in der Nationalgalerie explodiert Unter den Linden die Farbe. Kühn baut Knoebel „Orte“ aus farbig lackierten Aluminiumplatten, die im rechten Winkel zueinander stehen. Rot spiegelt sich da in Blau, Blau in Gelb, und plötzlich schillern die Farben in allen Varianten. Fürchten muss sich hier niemand.
Das nüchterne Raster hat sich endgültig überlebt in den 4,50 Meter großen jüngsten Gemälden, die entsprechend ihrer Titel „Fishing Yellow“, „Fishing Blue“, „Fishing Pink“ monochrom eingefärbt sind. Darauf hat der Künstler wie bei einem Mikadospiel farbige Aluminiumstäbe drapiert. Die Strenge seiner Ziehväter hat Imi Knoebel ohnehin nie ganz übernommen. Die Porträtserie „Grace Kelly“ mit roten, gelben, blauen und rosafarbenen Balken ist die charmante Verbeugung eines abstrakten Malers vor der Schönheit einer Frau. Für den großen Mies hat Knoebel meterweise gemalt. Dafür in Weiß.
Neue Nationalgalerie, Potsdamer Str. 50, bis 9. 8; Katalog 39,80 €. Deutsche Guggenheim, Unter den Linden 13/15, bis 26. 6. Zweiter Teil 4. 7. - 2. 8.. Außerdem: Galerie Fahnemann, Gipsstr. 14, bis 4. 7.
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