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Gekommen, um zu lesen. Ronja von Rönne, hier beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb im Jahr 2015.
© dpa

Buchpräsentation in Mitte: Ronja von Rönne stellt Roman "Wir kommen" vor

Mitten in Mitte - wo sonst? - stellt eine sympathisch aufgeregte Jung-Autorin ihren Debütroman vor. Der geht etwas unter im popkulturellen Event.

Der Laden am Rosenthaler Platz, in dem an diesem Donnerstagabend Ronja von Rönnes Roman vorgestellt wird, beschreibt sich auf seiner Website so: „It’s not a bar, it’s not a club, it’s something sexier in between ...“ Mein Haus am See heißt der Laden, und ob nun Bar, Club oder sexy Zwischending: Man fühlt sich mehr an eine Trinkhalle erinnert, allerdings mit Bücherregal und Tribüne. Auf der sitzen die Mittis, wie sie früher hießen, heute sind es wohl mehr Touristen aus aller Welt, und warten ..., ja, auf was eigentlich? Dass endlich mal was passiert? Oder gar auf Ronja von Rönne, die 24 Jahre alte Berliner Jungschriftstellerin und „Welt“-Redakteurin?

Da ist allerdings der Verlag vor, der Aufbau Verlag, der den gleichfalls nicht kleinen, gut ausgestatteten, unter dem Namen Cosmic Kasper firmierenden Keller des Hauses am See gemietet hat, um die Veröffentlichung von von Rönnes Debütroman „Wir kommen“ zu feiern: nur geladene Gäste, kein Laufpublikum.

Prominente Gäste

Darunter zum Beispiel die Schriftsteller David Wagner, Thomas Pletzinger oder Tilman Rammstedt, die Schriftstellerin Nora Bossong, der umtriebige Holm Friebe, natürlich der selbst ernannte Popliteraturerfinder Joachim Lottmann, der allerdings schnell wieder verschwindet. Lottmann hat dem von-Rönne-Roman ein lobendes Sprüchlein mitgegeben, einen sogenannten Blurb: „Endlich eine neue Stimme in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur“. Das waren allerdings für ihn auch schon Helene Hegemann und Antonia Baum nach der Veröffentlichung ihrer Debütromane. Auffällig ist, wie viele Popkritiker da sind.

Einer von ihnen erklärt, fast pflichtschuldig: „Das ist hier doch vor allem ein popkultureller Event.“

In Form einer Buchpräsentation. Von Rönnes Lektorin stellt den Roman kurz vor. Oder besser: zählt auf. Es gibt dies, es gibt das, es gibt dies, eine tote junge Frau, ihre beste Freundin, die sich an sie erinnert, ein Haus am Meer, eine Schildkröte undundund – obwohl, klar, nicht vergessen, ein popkultureller Event! Eine Liste muss mindestens dabei sein.

Ronja von Rönne ist sympathisch aufgeregt. Sie bedankt sich bei ihren vielen anwesenden Freunden, aus Berlin, München oder Oberbayern. Und sie sagt, nicht gewusst zu haben, dass Schildkröten bei Helene Hegemann vorkommen, deren Roman „Axolotl Roadkill“ habe sie nicht gelesen.

Das ist nicht Klagenfurt - also alles gut

Und dann liest sie ziemlich lang aus ihrem Roman mit dem doppeldeutigen Titel „Wir kommen“. Zwischendrin erzählt sie, dass es schon einen Verriss gegeben habe und der sich nicht so gut anfühle. Was zu ihrem Geständnis passt, das sie im „Zeit“-Magazin in der Rubrik „Ich habe einen Traum“ gemacht hat. Von nächtlichen Sorgen spricht von Rönne da, die „veranstalten miese Partys in meinem Hinterkopf und nennen das dann höhnisch ,Traum’“. Und: „Weil der Erscheinungstermin meines ersten Romans immer näherrückt, haben sich in letzter Zeit einige übel gelaunte Literaturkritiker dazugesellt.“

Nun, dies hier ist die Buchpremiere und nicht Klagenfurt, beispielsweise. Dies hier ist der Cosmic-Kaspar-Keller, nicht das Feuilleton. Also alles gut. Und ein Überraschungsgast kommt ja auch noch, der deutsch-amerikanisch-persische Sänger Malakoff Kowalski. Er spielt zwei Lieder; ein Cover und eines, das er nur für die Jung-Autorin geschrieben hat. Man fragt sich, was Ronja von Rönne wohl denkt, als der Musiker mit seiner notorischen Schirmmütze da so neben ihr hockt und singt und Gitarre spielt. Ob sie das genießt? Ob ihr das nicht ein bisschen peinlich ist?

Ach, Quatsch, nein, Ronja von Rönne spielt ja auch in einem Video der gerade sehr erfolgreichen österreichischen Rockband Wanda mit. Und als It-Girl des Springer-Verlags, als „neue Stimme der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur“ dürfte für sie die Entgegennahme des Kowalski-Ständchens eine ihrer lässigsten Übungen sein. Die geballte Literaturkritik kommt ja erst noch. Und als unten im Cosmic Kaspar alles vorbei ist, hat sich oben die Welt einfach weitergedreht. Oder auch nicht: Auf der Tribüne hockt immer noch viel Ausgehvolk, schaut auf das Treiben am Rosenthaler Platz und wartet und weiß nicht, worauf es eigentlich wartet.

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