Shitstorm gegen Ronja von Rönne: Der Nazi-Vorwurf ist ein Ritterschlag
Heute ist man langweilig, wenn man noch nie in die rechtsradikale Ecke gestellt wurde, meint Harald Martenstein. Dass so viele gegen die Autorin Ronja von Rönne und ihre Feminismus-Kritik vorgehen, hat eher was mit Spießertum zu tun. Eine Glosse.
Eigentlich ist es heute ein Zeichen dafür, dass du als Autor ein bisschen langweilig bist, wenn du noch nie in die rechtsradikale Ecke gestellt wurdest. Es ist wie in den 50er Jahren, nur andersherum. Wenn du in den 50ern für die Anerkennung der Oder- Neiße-Grenze warst oder für die Legalisierung der Homosexualität, dann hieß es, der ist Kommunist. Wenn du heute Zweifel an irgendwas Feministischem äußerst, stehst du ruckzuck als Nazi da. Der Nazivorwurf ist eine Art Ritterschlag für interessante Texte geworden. Ich war deshalb sehr stolz, als ich, wegen eines Essays über Genderforschung (das ist eine Art feministische Theologie) in einer Publikation der grünen Heinrich-Böll-Stiftung als NPD-Sympathisant angeprangert wurde. Die NPD ist nämlich auch dagegen. Damit ist der Beweis erbracht, oder?
Zurzeit gehen diese Leute, ich nenne sie der Einfachheit halber „die Spießer“, gegen die Autorin Ronja von Rönne vor. Sie ist 23, Feuilletonredakteurin der „Welt“, hat auch mal gemodelt – pfui! –, und in einem Artikel hat sie Feminismus als „Vorteilsbeschaffung“ beschimpft. Zitat: „Gerechtigkeit ist für den Feminismus ein 50-Prozent-Anteil, außer bei Scheißjobs.“ Zu dem anschließenden Shitstorm steuerte ein Frankfurter Pfarrer eine Drohung bei: „Adel ist was für die Laternen.“ In den 50ern waren ja auch Pfarrer häufig ganz vorne an der Spießerfront. Aber die Spießer sind im Lauf der Jahrhunderte Weicheier geworden, statt Ketzer zu verbrennen, sollen sie nur noch gehenkt werden.
Die Hetze der anderen
Der Nazivorwurf wird damit begründet, dass, unter hunderten von „Likes“ und Verlinkungen, auch der NPD-Frauenbund zu finden war, dem der Rönne- Artikel gefiel. Die NPD ist übrigens ganz stark für Umweltschutz, genau wie die Grünen. Nun ist Rönne seit Längerem für den Bachmann-Preis nominiert, einen berühmten Literaturpreis. Eine Journalistin der „Tagesschau“ schrieb: „Die Autorin wird empfohlen von dem Juryvorstand des Bachmannpreises und dem Ring Nationaler Frauen.“ Es ist zu beobachten, dass jeder Scherz und jede Kritik am Feminismus mit dem Vorwurf der „Hetze“ und dem Versuch beantwortet wird, Autoren zu diffamieren. Hetzer sind immer nur die anderen. Hier wird daran gearbeitet, eine Tabuzone zu errichten, das darf es in einem freien Land nicht geben.
Ich finde übrigens, dass man heute nicht mehr pauschal von „Feminismus“ sprechen kann. Es gibt viele Feminismen, das reicht von Positionen, die ich jederzeit unterschreiben könnte, bis zu radikalen Strömungen mit totalitären Allmachtsfantasien. Es ist wie mit dem Wort „links“. Sigmar Gabriel ist links, die maoistische MLPD ist auch links. Was haben sie miteinander zu tun? Nichts. Genauso breit ist das Spektrum beim Feminismus.
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