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Endstation Bordell. Iris (SuJin Bae) und der Zuhälter (Till Bleckwedel).
© Matthias Heyde

"Iris Butterfly" an der Neuköllner Oper: Putsch gegen Puccini

Exotische Wiederentdeckung: Pietro Mascagnis Japan-Oper „Iris“ an der Neuköllner Oper.

Oh mein Gott – das soll Iris sein? Dieses grotesk überkostümierte Wesen mit Blütenbluse, giftrosa Haaren und Puschelschuhen? Das kann ja heiter werden. Denn man weiß, dass es nicht gut enden wird mit der Hauptfigur von Pietro Mascagnis Oper „Iris“. Ach was, das ist noch untertrieben! Iris wird entführt, zur Hure gemacht, und als der blinde Vater kommt, glaubt er, sie sei absichtlich in die Stadt geflohen. Und schubst sie in die Gosse. Wo sie natürlich stirbt. Eine Frau ohne Chancen, geopfert. Schrecklich.

Mascagni ist, trotz „Cavalleria rusticana“, der große Unbekannte der Epoche nach Verdi, übrigens auch in Italien selbst. Die Neuköllner Oper hat jetzt sein seit Jahrzehnten nicht mehr gespieltes Stück als „Iris Butterfly“ auf die Bühne gehoben – ein Titel, der mit dem Holzhammer darauf aufmerksam macht, dass er schon Jahre vor Puccini exotisches japanisches Flair vertont hat. In „Iris“ brachte Mascagni sogar das Kunststück fertig, zwei Strömungen zu integrieren, die sich eigentlich ausschließen: Verismo – die ungeschönte, brutale Darstellung des Wirklichen – und Symbolismus, also gerade das Gegenteil. Das funktioniert erstaunlich gut, und da Regisseur Fabian Gerhardt nah am Stück bleibt, kann man durchaus von einer geglückten Wiederentdeckung sprechen.

Sexuelle Gewalt, ins Kosmische vergrößert

Das Wesen aus der ersten Szene „entpuppt“ sich als Geisha (Yuri Mizobuchi), eine Nebenfigur. Die eigentliche Iris ist anders: SuJin Bae trägt ein abgewetztes Kleid, die Fallhöhe hält sie gering. Denn sie scheint von Anfang an zu wissen, was sie erwartet. Ihr kerniger, reifer, wenn man so will: erwachsener Sopran, die anrührende Mischung aus Hilflosigkeit, Ahnung und Trotz rücken sie in jeder Hinsicht ins Zentrum. Elias Han überzeugt vokal als Vater, hinter dessen Gebrechlichkeit ein mieser Charakter steckt: „Mein Schicksal rührt mich zu Tränen“, singt er und stößt die Tochter von sich. Till Bleckwedel als Bordellbesitzer Kyoto und Gustavo Eda als Freund Osaka plagen sich mit der für sie offenbar zu hohen Lage, auch das Publikum leidet kräftig mit. Unsichtbar, aber umso besser zu hören, sitzen Hans-Peter Kirchberg und sein auf sieben Musiker abgespecktes Orchester hinter einer Leinwand. Eine einzigen Geige, ein Horn – und doch blitzt immer wieder eine Ahnung auf, wie Mascagnis Stück in großer Instrumentierung klingen muss.

Die Bühne ist im japanischen Stil gestaltet, mit viel Wänden aus Papier. Wärmekameras zeichnen gnadenlos alle Hitzewallungen auf. Auf der Leinwand kollidiert ein Planet mit einem anderen, dringt in ihn ein, zerstört ihn. Sexuelle Gewalt, ins Kosmische vergrößert. Schwächer der letzte Akt: Mascagni verklärt Iris mit einer Apotheose, eine fast marienhafte Entrückung. Der Regie kann man das nicht vorwerfen. Dass sie es genauso verkitscht inszeniert, schon.
Wieder am 17., 19., 21., 23., 26., 28. und 30. April sowie im Mai.

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