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Gemälde "Der Wanderer über dem Nebelmeer" von Caspar David Friedrich in der wieder eröffneten Hamburger Kunsthalle.
© Lukas Schulze/dpa

Wiedereröffnung der Hamburger Kunsthalle: Prachtvoller Palazzo

Neubeginn in Petrol, Salbeigrün und Senfgelb: Die Hamburger Kunsthalle ist nach dem Umbau wieder eröffnet - und setzt den Schwerpunk im 19. Jahrhundert.

Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter der Museumsgründungen. Jede Stadt, die auf sich hielt, baute ein Museum. So auch Hamburg. Das erste Gebäude der Kunsthalle wurde 1869 eröffnet, 1886 etwas erweitert und nach 1910 durch einen weit größeren Neubau ergänzt. Der wurde wegen des Weltkriegs erst 1920 fertig und beherbergt seither den größeren Teil der Hamburger Sammlung.

Dort lag seither auch seitlich der Eingang zum Museumskomplex, ein wenig zu klein und unscheinbar, aber wunderbar nah dem eindrucksvollen Hauptbahnhof, der seit 1909 das ganze, zuvor am Rande der Hansestadt gelegene Areal neu strukturierte. Gab es also Anlass, bei der 17-monatigen, nunmehr abgeschlossenen Renovierung den Eingang zu verlegen, und zwar auf die dem Bahnhof abgewandte, entfernteste Seite? In gewisser Weise ja, denn in Verlängerung der beiden zusammengehörigen Altbauten erhebt sich seit 1997 die „Galerie der Gegenwart“ als drittes Haus der Kunsthalle, mit den Altbauten unterirdisch verbunden, doch zugleich eigenständig zu betreten. Dorthin und so in die Nähe der benachbarten Binnenalster ist jetzt also der Eingang gerückt, kurioserweise an die Stelle, wo er von Anfang der Bautätigkeit im Jahr 1863 an hätte sein sollen, tatsächlich aber nie war. Da oben, auf den ehemaligen Wallanlagen, war es stets zu stürmisch, und noch heute treibt der Wind immer wieder feine Gischt von der Binnenalster herüber.

Heute gibt es Drehtüren, die die Witterung draußenhalten, und überhaupt zum ersten Mal ist die Pracht des zeittypisch überladenen Treppenhauses wie seinerzeit geplant zu erleben, durch das der Besucher ins Obergeschoss steigt. Dort empfängt ihn der größte Saal des Hauses, nach dem vom legendären Kunsthallen-Direktor Werner Hofmann aus dem Depot wieder ins rechte Licht gesetzten Historienschinken „Der Einzug Kaiser Karls V. in Antwerpen“ von Hans Makart „Makart-Saal“ genannt – und von seinem im Herbst scheidenden Nach-Nachfolger Hubertus Gaßner brachial hinter einer Rigipswand versteckt. Im Makart-Saal wird jetzt auf weißen Wänden die Kunst der 1950er Jahre gezeigt. Sie wird heute, bei allem Respekt vor der Selbstbefreiung der Kunst nach NS-Zeit und Krieg, doch als arg zeitgebunden beurteilt.

Der Rundgang durchs Haus endet schließlich mit der Kunst der 50er Jahre

Das ist, angesichts der übrigen, äußerst feinfühligen Neuhängung der Sammlung mit ihrem Schwerpunkt auf dem 19. Jahrhundert, ein regelrechter Missgriff. Da ging Gaßner die Historisierung des Altbaus, die Hofmann, der große Kenner des 19. Jahrhunderts, begonnen hatte, womöglich zu weit. Man eilt weiter und ist beglückt, in den folgenden Sälen unter anderem die deutsche Romantik mit der neben Berlin und Dresden bedeutendsten Sammlung von Gemälden Caspar David Friedrichs und jener ganz singulären von Werken Philipp Otto Runges auf Wänden in delikaten Mischfarben präsentiert zu sehen, luftig gehängt, so dass jedes dieser Meisterwerke Platz hat zur Entfaltung. Aus Berliner Sicht schmerzt stets aufs Neue, dass Adolph Menzels wichtigstes Historienbild, „Die Aufbahrung der Märzgefallenen“ von 1848/49, vom ersten Kunsthallen-Direktor Alfred Lichtwark noch aus Menzels Atelier heraus gekauft werden konnte.

Petrol, salbeigrün, senfgelb, so ungefähr muss man die Farben beschreiben, vor denen jetzt die Bilder hängen und teils auch Skulpturen stehen, so in der Rotunde des Lichtwark-Neubaus, die seit Jahrzehnten als Wechselausstellungsraum gedient hatte. Nun sind da in sehr geistvoll-ironischer Weise Marmorköpfe von Aufklärern wie dem Philosophen Kant vor düsteren Gemäldevisionen Johann Heinrich Füsslis zu sehen. Der Rundgang durchs Haus, ein mit 800 Gemälden höchst bilderreicher Parcours, endet schließlich – im Saal der fünfziger Jahre. Von dort muss der beschwerliche Weg durch den Keller in die Galerie der Gegenwart angetreten werden, will man das ganze 20. Jahrhundert sehen.

So manche Baustelle wird die Kunsthallen-Direktoren weiterhin verfolgen

Es empfiehlt sich, im nun wieder eröffneten Café im Altbau unter verkleinerten Gipsreproduktionen des Pergamon-Frieses eine Erholungspause einzulegen. Das seit dem Galerie-Neubau des Architekten Oswald Mathias Ungers von 1997 bestehende Desaster, dass sich zwischen Altbauten und Neubau ein windiger, mit einer Art überdimensionaler Grabplatte zugestellter und vollständig unbenutzbarer Platz erstreckt, konnte auch mit den elf Millionen Euro Zuschuss der Dorit & Alexander Otto-Stiftung nicht angegangen werden und wird noch manchen Kunsthallen-Direktor im Schlaf heimsuchen. Umso freudiger verbreiteten Gaßner und sein Team die Zahlen zur Renovierung: 24 000 Quadratmeter Wandflächen erneuert, 13 000 Quadratmeter Schalldämpfung eingebaut, 3400 Quadratmeter Eichenparkett verlegt, Beleuchtung, Klima, alles auf neuestem Stand.

Um die Kunst des 19. Jahrhunderts in einigen ihrer Glanzleistungen zu sehen, ist die neue, alte Hamburger Kunsthalle jede Reise wert. Auch wenn man nun vom Hauptbahnhof aus zum Eingang doppelt so weit laufen muss: Das Haus befindet sich noch immer ganz in der Nähe.

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