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Konzertkritik: Roger Waters "The Wall" in der O2 World

Hightech-Video-Präsentation, Computeranimation und Pyro-Knalleffekte: Die Musik wird in der Live-Show "The Wall" von den theatralischen Elementen und optischen Reizen deutlich hinter die Wand gedrängt. Am Donnerstagabend präsentiert Roger Waters ein Zusatzkonzert.

"Wahnsinn!" "Hammer!" "Totalerlebnis!" "Mega geil!" "Galaktisch!" "Gigantisch!" "Super geniales Event!" Vielleicht sind die aufgeschnappten Stimmen nach dem Auftritt von Roger Waters in der O2 World aussagekräftiger als jede tiefer schürfende Konzertkritik. Genau genommen ist die Aufführung von "The Wall" ja auch kein Konzert, jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne, Rock 'n' Roll schon gar nicht, vielmehr grandios pompöses Spektakel, hochtechnisierte Multimedia-Show – eben ein "Event". Und das mit wirklich allem Drum und Dran: eine Mischung aus brillantem Klang in infernalischer Lautstärke, Hightech-Video-Präsentation, Computeranimation, Zeichentrickfilm, Rummelplatz, Geisterbahn, Puppentheater, Pyro-Knalleffekten und einem Schuss Leni Riefenstahl.

Schon der Beginn der Aufführung weckt Assoziationen an die raffinierten Inszenierungen nationalsozialistischer Reichsparteitage. Eine Zapfenstreichtrompete erklingt, auf einer Mauer steht eine stramm symmetrische Reihe schwarz Uniformierter in Knobelbechern, Breeches und Helmen mit stierem Blick und hält mächtige Banner, die an Hakenkreuzfahnen erinnern. Wenn dann davor Roger Waters im langen schwarzen Mantel mit roter Armbinde einen finster charismatischen Diktator gibt - "In The Flesh" - und die Zuschauer in der ausverkauften Arena dazu enthusiasmiert aus den Sitzen springen, um ihm zuzujubeln, dann kann einem schon für einen Augenblick etwas mulmig zumute werden.

Aber ist ja nur Show, ist ja nur Theater. Und der 67-jährige Roger Waters spielt nur eine Rolle. Es ist die Figur des "Pink", die der ehemalige Pink-Floyd-Bassist und –songschreiber vor über 30 Jahren kreiert hatte für das 1979 erschienene, höchst erfolgreiche Pink-Floyd-Doppelalbum "The Wall". Ein monumentaler Songzyklus über Isolation, Ängste und Wirrnisse, die Waters selbst durchlebt hatte und die er sich mit den Songs und ihrer verbindenden Geschichte "The Wall" von der Seele geschrieben hat.

Trotz ohrenbetäubender Lautstärke wird die Musik in der Live-Show von den theatralischen Elementen und optischen Reizen deutlich hinter die Wand gedrängt. Wie auch die Band, die vorwiegend im schummerigen Halbdunkel des Bühnenhintergrundes agiert, während zwischen Musikern und Publikum nach jedem Song ein paar weitere Steine in eine monströse Mauer eingebaut werden. In die Mauer, die die schrittweise Abschottung des Protagonisten von der Umwelt symbolisiert. "Another Brick In The Wall". Mit jedem Trauma wird die Wand dichter, mit jeder Geschichte aus Waters' Vergangenheit: Der Vater, der nicht aus dem Krieg zurückgekehrt ist, eine übermächtige Mutter, despotische Lehrer während der Schulzeit, schwierige Beziehungen, gescheiterte Ehe, die traurige Leere eines Rockstarlebens, und schließlich Pinks wirre Wahnvorstellung, zum fiesen Diktator zu mutieren, der zum unbarmherzigen Herrscher über die eigenen Fans wird.

In der O2 World flimmert und flackert es, dröhnt und kracht. Ein Kinderballett wuselt herum, während der Kinderchor dazu aus der Dose kommt: "We don't need no education!" Die Gitarristen spielen Soli ganz oben auf der Mauer. Der Rest der Band ist dahinter verschwunden. Es sind routinierte Leihmusiker, von Pink Floyd hatte sich Waters schon 1985 im Streit getrennt. "Goodbye Blue Sky". Vor der Mauer läuft ein einsamer Roger Waters herum, wedelt mit den Armen, singt oder lässt auch mal von einem anderen singen, während er dazu die Lippen bewegt.

Die 11 Meter hohe und 73 Meter breite Mauer wird zur riesigen Projektionsfläche für die filmischen Animationen des Karikaturisten und Bühnenbildners Gerald Scarfe. Ständig fliegt und flattert etwas. Alles dreht sich und bewegt sich, zwischen beeindruckenden graphischen Zaubereien und purem Kitsch. Gigantische Figuren blasen sich auf mit glühenden Augen, und ein dickes Schwein schwebt über den entzückten Fans. Bis riesige Würmer kommen und sich durch die Mauerteile schlängeln, die per Projektion jetzt verblüffend an das Berliner Olympiastadion erinnern. "Waiting For The Worms".

Irgendwie wird Pink schließlich geläutert und befreit von seinen Dämonen: die Mauer stürzt ein mit gewaltigem Getöse. Und endlich darf auch die ganze Band mal nach vorne, mit akustischen Instrumenten - Gitarren, Banjo, Mandoline, Akkordeon. Roger trötet noch mal in die Trompete.

Ende gut, alles gut. Überall glückliche Gesichter, obwohl man ganz erschlagen ist von soviel optischer und akustischer Überreizung. "Totalerlebnis!" sagt jemand beim Rausgehen und bringt es damit besser auf den Punkt als jegliche Konzertkritik.

H.P. Daniels

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