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Zwischen den Fronten. Desmond Doss (Andrew Garfield) wächst auf dem Schlachtfeld über sich hinaus.
© Universum Film

Im Kino: Mel Gibsons "Hacksaw Ridge": Pazifist in Stahlgewittern

Mit dem blutigen Kriegsfilm „Hacksaw Ridge“ schafft Mel Gibson sein Comeback als Regisseur. Darin spielt Andrew Garfield einen Kriegshelden, der nicht töten will.

Kinder spielen Krieg. Es versteht sich in einem Mel-Gibson-Film gewissermaßen von selbst, dass dieses Spiel mit religiöser Metaphorik überhöht wird. In „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung“ ist es Kain, der seinen Bruder Abel mit einem Stein fast erschlägt. Mit dem zweiten Sündenfall – der Hand des Menschen, die sich gegen den eigenen Bruder erhebt – beginnt die wahre Geschichte von Desmond Doss, der in den Krieg zog, um nicht zu töten.

Doss kehrte 1945 als dekorierter Kriegsheld in die USA zurück, der in Japan die Leben von 75 verwundeten Kameraden gerettet hatte – ohne einen einzigen Schuss abgefeuert zu haben. Das Bild des jungen Desmond vor einem biblischen Kalenderspruch im Wohnzimmer der Eltern – „Du sollst nicht töten“ –, nachdem er seinen Bruder im Spiel fast umgebracht hätte, wird zum Leitmotiv von „Hacksaw Ridge“, dem ersten Film Mel Gibsons seit zehn Jahren.

Kein anderer Regisseur verbindet Krieg und Religion so kompromisslos

Der Zustand der Unschuld, den der Film bildgewaltig imaginiert, ist allerdings von Beginn an trügerisch. Die Idylle einer unbeschwerten Jugend haben Desmond und sein Bruder Hall, die in den Wäldern Virginias aufwachsen, nie erlebt. Ihr Vater ist ein jähzorniger Säufer, innerlich gebrochen vom Trauma des Ersten Weltkriegs. Das Blut der getöteten Kameraden befleckt seine Erinnerungen. Dafür vergießt er einmal demonstrativ sein Blut auf dem Grabstein eines gefallenen Soldaten.

Dieses Bild ist – wie die gesamte Erlösungsgeschichte in „Hacksaw Ridge“ – hochgradig ambivalent. Kein anderer Regisseur des Gegenwartskinos verbindet ähnlich kompromisslos die Sujets Krieg und Religion. In der amerikanischen Filmbranche galt Gibson fast zehn Jahre als Persona non grata. So lange brauchten die Selbstreinigungskräfte Hollywoods, bis dessen öffentliches Fehlverhalten – antisemitische Beleidigungen an der Grenze zum religiösen Wahnanfall – vollständig sanktioniert war.

Dass die Academy „Hacksaw Ridge“ gerade für sechs Oscars nominierte, ist wohl auch als Zeichen dafür zu verstehen, dass Hollywood Gibson die Absolution erteilt hat. Vielleicht zeigt dieses furiose Comeback aber auch nur, wie sehr dessen Filme wieder einen Nerv treffen. Es ist ein Kino extremer, unauflöslicher Gegensätze.

Gleichzeitig versteckt sich irgendwo in diesem martialischen Schlachtendrama eine tröstliche Botschaft. Denn Desmond Doss, gespielt von „Spiderman“ Andrew Garfield, hat seine Heldenrolle selbst gewählt. Erzogen im Glauben einer Freikirche, den Siebenten-Tags-Adventisten, meldet er sich im Zweiten Weltkrieg als Sanitäter zum Wehrdienst ohne Waffe. „Hacksaw Ridge“ braucht eine gute Stunde, um seinen verqueren Pazifismus zu erklären. Desmonds Vorgesetzte (Sam Worthington, Vince Vaughn) quittieren den Wunsch, am siebten Tag zu ruhen, mit Strafaktionen, seine Kameraden quälen den vermeintlichen Feigling. Erst das Militärgericht erlaubt ihm, dem Vaterland ohne Waffe zu dienen.

Kriegsmassaker mit Neigung zum Splatter

In der Schlacht von Okinawa, in der Desmonds Einheit am sogenannten Heckensägenkamm eine japanische Befestigungsanlage einnehmen muss, läuft Gibson schließlich zu vertrauter Form auf. Ab hier fällt es auch schwer, noch so etwas wie Humanismus auszumachen. Mit seiner Darstellung der japanischen Soldaten fällt er in alte Muster zurück. Auch das Kriegsmassaker – ein US-Soldat benutzt den beinlosen Torso eines Kameraden als Schutzschild – hat mit einer deutlichen Neigung zum Splatter eher Exploitationfilm-Charakter. Sollte „Hacksaw Ridge“ als reifes Alterswerk gemeint sein, könnte Gibson noch einiges von Clint Eastwoods „Sully“ lernen. Amerikanische Kinohelden werden heute nicht mehr in Stahlgewittern geboren.

In 4 Berliner Kinos, OV: CineStar Sony Center

Andreas Busche

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