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Berlin: Ein Held von Welt

Der neue Spider-Man-Film feiert in Berlin Premiere – 25 Jahre nach dem ersten Besuch der Figur.

Berlin kann verdammt ungemütlich sein. Vor allem damals, 1987, in der Endphase des Kalten Krieges, als der US-Comicverlag Marvel seinen populärsten Helden auf seine erste Auslandsreise in die deutsche Halbstadt schickte. Statt durch New Yorker Hochhausschluchten schwang sich der in eine Spionagegeschichte verwickelte Spider-Man da an Berliner Gründerzeitfassaden entlang. Nach einem Salto über die Mauer wurde er begrüßt von explodierenden Minen und DDR-Grenzern, die ihn mit Gewehrsalven eindeckten. Nachdem er die Soldaten mit einem Spinnennetz zu Fall gebracht hatte, schwang er sich zurück in sichere Höhen und rief: „Hi Boys, ich bin Hans Schulz vom Komitee für Volksgesundheit. Ein Schuss kann zu Hörschäden, Hämorrhoiden und Schrumpfhirn führen.“

Als diese schräge Episode in den USA an die Kioske kam, war Andrew Garfield gerade mal drei Jahre alt – und verkleidete sich bei Kostümfesten bevorzugt als Spider-Man. 25 Jahre später hat der Schauspieler jener Stadt, in die es damals sein Comic-Idol verschlug, jetzt einen Besuch abgestattet. Garfield ist der neue Spider- Man, beziehungsweise dessen jüngste Reinkarnation im Kino. Am Mittwochabend wurde im Sony-Center die Deutschlandpremiere von „The Amazing Spider- Man“ gefeiert, die trotz Schmuddelwetters viele Fans anzog. Am 28. Juni kommt die jüngste Neuinterpretation der 50 Jahre alten Story in die Kinos. Ein Ereignis für Comicfans rund um die Welt – und für den bisher international kaum bekannten Schauspieler die Chance, zum Hollywood-Superstar zu werden. So wie einst Tobey Maguire, der sich in drei enorm populären Filmen in die menschliche Spinne verwandelte, bevor er zu alt für die Rolle wurde und die Produzenten beschlossen, die Figur wieder stärker auf ein jugendliches Publikum auszurichten.

Da ist der jungenhaft aussehende Garfield die richtige Wahl. Auch, weil er seit langem eine Beziehung zu der Figur hat, die er jetzt auf der Leinwand verkörpert. „Spider-Man bedeutet mir seit meiner Kindheit sehr viel“, erzählt er dem Tagesspiegel beim Interview. Er sei „besessen“ von der Figur, seitdem er die ersten Trickfilme mit dem Helden sah. Dass er sich schon im Kindergartenalter für Halloween dessen Kostüm aussuchte und auch später als Jugendlicher ein Fan blieb, erklärt er mit dem hohen Identifikationswert. Denn Peter Parker, wie Spider-Man mit bürgerlichem Namen heißt, ist anders als Figuren wie Superman oder Captain America kein strahlender Held, sondern ein unsicherer Außenseiter, den irdische Probleme plagen und der sich schwertut, die ihm durch einen Unfall zugefallenen Superkräfte sinnvoll einzusetzen. „Peters Kämpfe und seine Herausforderungen, denen er sich Woche für Woche ausgesetzt sah, gaben mir als Kind Hoffnung“, sagt Garfield. Jahrelang wurde er in der Schule von stärkeren Kindern gemobbt, so wie es auch Spider-Mans schwächliches Alter Ego erlebt. „Außerdem fühlte ich mich in meiner Jugend manchmal auch in meiner eigenen Haut gefangen“, sagt Garfield und wirft seinem Gesprächspartner dabei einen langen, ernsten Blick zu, der von der abgeklärten Selbstdarstellung erfahrener Hollywood-Profis noch weit entfernt ist.

Nur eine Lektion hat der künftige Superstar schon gelernt: Kein Wort über das aktuelle Privatleben. Dabei hätte das in diesem Fall sogar mit dem Film zu tun. Denn der bescherte Garfield neben dem Durchbruch in Hollywood auch privates Glück: Im vergangenen Herbst zeigten der Spider-Man-Darsteller und seine Filmpartnerin Emma Stone, die auf der Leinwand Parkers Jugendfreundin Gwen Stacy spielt, sich erstmals öffentlich als privates Liebespaar, unbestätigten Berichten zufolge sollen sie sich inzwischen verlobt haben.

Beim Interview-Marathon in Berlin, den beide in getrennten Zimmern des Adlon-Hotels absolvieren, lassen sie sich von ihrer Liebe nichts anmerken und wehren jede Frage danach ab. Zwischen den Zeilen spürt man jedoch, dass sie mehr als die professionelle Erfahrung verbindet. „Ich habe jede einzelne Szene mit ihr genossen“, sagt Garfield strahlend, als er nach den gemeinsamen Dreharbeiten gefragt wird. Und Emma Stone, von einer Journalistin gefragt, ob sie sich zuerst in Peter Parker oder in Andrew Garfield verliebt habe, sagt mit vielsagendem Lächeln: „Persönliche Fragen beantworte ich nicht – ziehen Sie Ihre eigenen Schlüsse.“

Lars von Törne

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