Urbane Kunst im Schloss Biesdorf: Paradieskinder zersägen den Beton
Das Zentrum für Kunst und Öffentlichen Raum zeigt im Schloss Biesdorf künstlerische Positionen zu Stadt und Architektur. Ausgangspunkt ist das Werk von Gordon Matta-Clark.
Das Erstaunlichste sind die Körper der Männer. Eigentlich zeigt das Zentrum für Kunst und Öffentlichen Raum (ZKR) in der Ausstellung „Zwischen Räumen“ Kunst zu Architektur und Stadt: zeitgenössische Arbeiten aus Berlin, Kunst aus der DDR sowie die auf Fotografien und in Filmen dokumentierten Interventionen des New Yorkers Gordon Matta-Clark. Doch wie viel Zeit vergangen ist seit Matta-Clarks spektakulären Eingriffen in amerikanische Abrisshäuser der siebziger Jahre, lassen vor allem die Körper der Künstler bei der Arbeit erkennen.
„Zwischen Räumen“ ist die zweite Ausstellung des ZKR im Schloss Biesdorf, dem im Herbst 2016 eröffneten neuen Kunstort des langeseigenen Parkverwaltungsunternehmens Grün Berlin unter Leitung der Kulturmanagerin Katja Aßmann. Nach der Eröffnungsschau mit dem Ausblick auf die Kunst der IGA bestätigt die neue Ausstellung, dass sich in Biesdorf Qualität etabliert: Die Kooperation mit externen Kuratoren und dem Kunstarchiv Beeskow ermöglicht eine neue Sicht auf Gordon Matta-Clarks Werk und Leben.
Interviews mit Zeitzeugen und viele Aufnahmen von Matta-Clarks Interventionen revidieren das Klischee vom strengen Analytiker. Zwar zeigen Fotos und Filme, wie der Künstler mit Maschinenschnitten verlassene Häuser in Skulpturen verwandelte, doch auf anderen ist zu sehen, wie er mit Freunden Feste in den Abrisshäusern feiert. Oder wie er mit Karacho sein Auto zu Schrott fährt, um eine zusammengefaltete Metallskulptur zu erhalten. „Wir waren wie Kinder im Paradies“, sagt einer der Zeitzeugen.
Körperliche Arbeit als Teil von Matta-Clarks Kunst
Die heutigen Beiträge erzählen eher von aus dem Paradies Vertriebenen, die sich um die Lösung städtischer Probleme bemühen. So präsentiert Marjetica Potrm eines ihrer kunstvollen Häuschen mit Regenwassertonne und einer Anlage für die Aufbereitung des kostbaren Elementes. Und das Team vom Berliner Zentrum für Kunst und Urbanistik zeigt einen Film von Aktionen seines Vereins Kunstrepublik auf dem Mauerstreifen in Berlin- Mitte, bevor er neu bebaut wurde. Zu Aufnahmen von ausgebrannten Autos im Schnee erklingen bekannte Arien mit neuem Text: Sie besingen die Verwertungsinteressen der Immobilienbranche.
In der DDR jedoch konnten Künstler nicht ohne Auftrag in städtische Situationen eingreifen. Die Radierungen und Drucke von Ursula Strozynski und Antje Fretwurst-Colberg zeigen daher vor allem Oberflächen: Fassaden und Silhouetten eines im Nachkriegszustand erstarrten Ost-Berlin. Und auch der Film von Matta-Clarks Berlin-Aufenthalt 1976, am Ende der Schau platziert, zeigt keine Schnitte im Gebäude. Stattdessen klebte der Künstler Werbeplakate auf die Westseite der Mauer.
Immer wieder ist Matta-Clark aber auch bei schwerer körperlicher Arbeit zu sehen. Er steigt über ungesicherte Baustellen und setzt mit kräftigen, behaarten Armen eine Säge an, um den Beton zu teilen. Seitdem ist viel geschehen, was auch das Bild vom Mann verändert hat. Simon Faithfull ist 2009 zu Fuß auf einem Längengrad durch Großbritannien gewandert und 2015 auf dem nullten Meridian von England nach Süden gereist. Schmal und zierlich balanciert der schwarz gekleidete Wahl-Berliner und Brite Straßen, Bahnhöfe und Landschaften. Steigt voll bekleidet in einen See und schwimmt langsam davon.
ZKR auf Schloss Biesdorf, Alt-Biesdorf 55, bis 8. Oktober. Di, Mi, Fr–So 10–18, Do 13–21 Uhr.
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