Kultur: Ressource Stadt: Gordon Matta-Clark und Hiroshi Sugimoto bei Franck + Schulte
"The Pistol Experience" steht in schwungvollen Lettern, bonbonfarben und mit Flower-Power-Ornamenten verziert, auf dem 7th Avenue Express. Sein lautes Scheppern hallt auf Gordon Matta-Clarks Graffitibändern (je 56 000 Dollar) nach: Derb und mit Reißzwecken befestigt, rollen die menschenleeren Waggons auf Fotostreifen an den Wänden entlang - doch der Lärm entstammt dem unermüdlichen Stampfen des Bulldozers, den der amerikanische Künstler auf einer Müllkippe filmte.
"The Pistol Experience" steht in schwungvollen Lettern, bonbonfarben und mit Flower-Power-Ornamenten verziert, auf dem 7th Avenue Express. Sein lautes Scheppern hallt auf Gordon Matta-Clarks Graffitibändern (je 56 000 Dollar) nach: Derb und mit Reißzwecken befestigt, rollen die menschenleeren Waggons auf Fotostreifen an den Wänden entlang - doch der Lärm entstammt dem unermüdlichen Stampfen des Bulldozers, den der amerikanische Künstler auf einer Müllkippe filmte.
"The Pistol Experience" könnte - im Kontrast von Farbigkeit und anarchischer Vehemenz - für das kurze und radikale Schaffen des 1943 geborenen New Yorkers stehen. 1976 - zwei Jahre vor seinem Tod - hatte Matta-Clark für eine Ausstellung am "Institute for Architecture and Urban Studies" Häuser in der Bronx fotografiert, deren Fenster bereits vor dem Erstbezug zertrümmert wurden. Doch der Konzeptkünstler beschränkte sich nie auf das rein intellektuelle Abbild, und so zerschoss er in der Nacht vor der Vernissage die Fenster des Instituts. Wenngleich Matta-Clark nach seinem Architekturstudium der angewandten Architektur den Rücken kehrte, kreisen die Arbeiten stets um ihre Auswirkungen auf die menschliche Interaktion.
Der städtische Lebensraum wurde für den Organisator und Initiator des legendären Künstler-Restaurants "Food" und der "Anarchitecture Group" zum Fundus für seine Objekte, Installationen und Fotografien. Das wenig urbane SoHo der frühen siebziger Jahre war die Bühne seiner Performances, Filme und seiner Philosophie, die von den Wunden des Stadtbilds ausgehend, die Entfremdung ins Bild setzte und schließlich in den "Cuttings" gipfelte: Mit dem Schneidbrenner sezierte er funktionale Architektur und verwandelte Häuser in membranartige Skulpturen.
Die dritte Ausstellung Matta-Clarks "The City as Resource" in der Galerie Franck + Schulte legt mit frühen Arbeiten sein Gedankengerüst frei. Für die Installation "Walls Paper" (Preis auf Anfrage) hatte der Künstler 1972 Fotografien von Brandmauern im Offset vervielfältigt und sie an Ausstellungsbesucher verschenkt. Matta-Clarks Dekonstruktion des Auratischen bleibt jedoch angesichts der musealen Schau leider nur Idee. Sein ironischer Impetus wird da schon eher in der "Garbage Wall" nachvollziehbar. 1970 als Teil einer Performance arrangiert, hat die mit hiesigem Müll rekonstruierte Skulptur nichts von ihrer Aktualität und ihrem rauhen Charme verloren. Die den "Walls" zugrunde liegenden acht Schwarzweiß-Fotos (je 12 500 Dollar), verdichten im ebenso schonungslosen wie lyrischen Blick auf die Brandmauern abgerissener Häuser die Anwesenheit abwesender Menschen. Abblätternde Farbstrukturen, Reste von Tapeten oder ein Kaminloch ohne Ofenrohr legen Spuren zu Geschichten eines undefinierten Lebens. Das Haus wird zum Symbol einer transformatorischen Anthropologie im Zeichen der Erinnerung; seine einstmals privaten Abdrücke formieren sich im Gedächtnis des Betrachters neu.
Neben der offensiven Sprache und dem heftigen Duktus Matta-Clarks mutet die Kabinettausstellung "Architecture" von Hiroshi Sugimoto zunächst wie ein romantisches Kontrastprogramm an. Doch in der Wahrnehmung des Phänomens Architektur sowie im Mitschwingen von Vergangenheit in der Gegenwart finden sich durchaus Berührungspunkte. Da wo Matta-Clark an den radikalen Wandel der Haltung gegenüber der Welt appelliert, fordert Sugimotos Version der "United Nations" die veränderte Betrachtung des Bildes. Zwei Aufnahmen des "Museo Della Civiltâ Romana" schwelgen lustvoll und kontemplativ in der Irritation des Blicks. "Es wirkt wie ein Gemälde, ist es aber nicht", schrieb der 1948 geborene Fotograf zu seinen jüngst in Berlin gezeigten "Portraits". Die Monumentalbauten aus den Jahren 1997 und 1998 (Auflage 25, je 6500 Dollar) greifen dieses Changieren im Zwischenzustand auf. Bisweilen erinnern sie an die metaphysischen Gebäude de Chiricos, der 1915 notierte: "Die römische Arkade ist Schicksal. Ihre Stimme spricht in Rätseln". Sugimoto vertieft es im enigmatisch schwarzen Schattenlauf der Arkaden einmal mehr. Die flirrende Unschärfe versetzt die Gebilde in den Zustand einer Zeitlichkeit, die die Entdeckung der Langsamkeit - wie bereits in seinen "See-Bildern" - neu erfindet.
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