Schloss Biesdorf: Dialoge im Denkmal
Schloss Biesdorf ist restauriert. Jetzt eröffnet dort das Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum. Ein Rundgang durch die Eröffnungsausstellung „Auftrag Landschaft“.
Jedes Schloss hat seine Geschichte, und im Biesdorfer Herrenhaus von 1868 kulminiert so ziemlich alles, was Berlin seit dieser Zeit bewegt hat. Der Erbauer, ein Kaufmann, verkaufte das Gebäude nach privaten Verlusten 1886 an Werner von Siemens. Dessen Sohn ließ den Gutspark imposant erweitern und darin testweise erste elektrifizierte Straßenbahnen fahren.
Ab 1920 gehörte Biesdorf zu Groß- Berlin, sieben Jahre danach erwarb die Stadt das Schloss. Es kam die Ortsgruppe der NSDAP, und einen Tag, bevor die Rote Armee im April 1945 Biesdorf erreichte, standen das obere Geschoss des Hauses und seine Einrichtung in Flammen. So vernichtet man Spuren.
Dass die Architektur als Ruine überdauerte und nun nach Jahren der aufwendigen Restaurierung erneut im spätklassizistischen Glanz strahlt, ist ein kleines Wunder. Als historisches Idyll stiftet sie Identität in einer Gegend, aus der über Jahrzehnte ein suburbaner Moloch geworden ist. Als Ausstellungsort schließt sie eine Lücke, die wiederum seit 1989 klafft und sich in der unverbundenen Wahrnehmung von Ost- und Westkunst äußert.
Eine Ost-West-Zusammenschau
Schloss Biesdorf bringt beide auf ungewöhnliche Art zusammen. Während zwei Gemälde von Günther Brendel zeigen, wie sich ab 1978 die Hochhäuser von Marzahn-Hellersdorf in der noch dörflich geprägten Landschaft materialisieren, befragte Jeanne van Heeswijk für ihre Videoinstallation „Amnesia of a Landscape“ (2006–2009) in den Niederlanden Anrainer einer neu gebauten Straße, was diese mit ihrer Umgebung anstellt. Kurt Buchwald deutet1988 seinen Auftrag, die Arbeiter einer Großbaustelle an der Friedrichstraße zu porträtieren, in eine gewagte Collage surrealer Fotografien um.
Anna Rispoli, Jahrgang 1975, hat für die Klangarbeit „Safari“ ab 2005 akustische Fragmente gesammelt und verdichtet sie zum Metropolen-Sound. Es wird in dieser ersten Biesdorfer Ausstellung mit dem Titel „Auftrag Landschaft“ also nicht einfach gegenübergestellt, was innerhalb der DDR und zeitgleich jenseits der Mauer entstand. Der Dialog findet zwischen den Jahrzehnten statt. Und zwischen Generationen, um zu zeigen, dass es inhaltliche wie formale Fragen gibt, die Künstler über alle Grenzen hinweg beschäftigen.
Im Schloss ist oft gar nicht zu erkennen, wann und wo eine Arbeit entstanden ist: Wenn Ralf-Rainer Wasse eine Gruppenperformance mit High-Tech-Material unter freiem Himmel veranstaltet, könnte die Aktion „Tripel-Spiegel“ (1986) ebenso von westdeutschen Künstlern stammen. Die fotografische Dokumentation gehört dem Kunstarchiv Beeskow, das über 20 000 Werke aus der DDR versammelt und in der Schau sichtbar macht, welche Freiheiten sich Wasse, Buchwald oder Wolfgang Domröse bei der Interpretation ihrer offiziellen Aufträge nahmen.
Diese Zusammenschau ist ebenso Experiment wie Notwendigkeit. Das „ZKR – Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum Schloss Biesdorf“ braucht ein Profil, das den Berliner Institutionen genug Konkurrenz macht, um auch über eine Schlossbesichtigung hinaus ein Ziel zu bleiben.
Am Wochenende ist "Tag des offenen Denkmals"
Wenn sich am Freitag die Türen öffnen und das Haus zum „Tag des offenen Denkmals“ anschließend ein Wochenende lang Programm bietet, bekommt man alles auf einmal zu sehen: Die neu gestalteten Innenräume hinter der originalgetreu sanierten Fassade. Ein ambitioniertes Kunsthaus unter dem Dach der landeseigenen Gesellschaft Grün Berlin, die das Schloss im Park mit übernommen hat. Dreißig künstlerische Positionen. Und eine leider missglückte Ausstellungsarchitektur. Um das Archivarische des Projekts zu betonen, hat sich ZKR-Direktorin Katja Aßmann für luftige, weiße Trennwände entschieden. Sie stellen die Räume nicht zu, sondern ermöglichen auch den Blick auf die Architektur.
Doch diese Durchlässigkeit hat ihren Preis – und ihn zahlt die Kunst. Vor allem kleinere Papierformate wie Erik Göngrichs Arbeiten zur Ästhetik der Städte haben vor der dominanten Gitterstruktur aus Metall keine Chance: Der Blick bleibt ohne Halt. Was ein „vielschichtiges Zusammenspiel von Kunst, Architektur und öffentlichem Raum“ ergeben soll, wie es das Konzept des ZKR verheißt, verpufft im visuellen Overkill.
Viele Arbeiten sind Gefangene vor oder hinter Gittern
Nicht bei allen zeitgenössischen Künstler besteht dieses Problem. Die „Wolken“ (2010) von Michael Sailstorfer hängen dick und schwarz im Treppenhaus, die Wirkung seiner Objekte aus aufgepumptem Gummi ist nahezu unzerstörbar. Gleiches gilt für das wuchtige Gefährt des Duos Köbberling/Kaltwasser, die 2010 unter dem Motto „Cars into Bicycles“ einen Saab verschrottet und daraus Fahrräder von den Maßen einer Harley Davidson gebastelt haben.
Angelika Weißbach legt als Kuratorin des Beeskower Kunstarchivs einen Teil der grafischen Bestände in Schubladenschränken ab, die man öffnen kann, und entkommt so dem gestalterischen Dilemma. Die Gemälde und Highlights des Archivs wie ein subversives Mail-Art-Projekt von Joseph W. Huber hängen klassisch an den Schlosswänden, wo ihnen nichts die Schau stehlen kann. Andere Arbeiten aber sind Gefangene vor oder hinter Gittern. Man möchte sofort für einen Relaunch plädieren.
ZKR Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum Schloss Biesdorf, Alt-Biesdorf 55, Di, Mi, Fr–So: 10–18 Uhr Do 13–21 Uhr. Eröffnung: 9.9., 14–21 Uhr
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