Filmemacher aus Haft entlassen: Oleg Senzow bedankt sich in Berlin bei seinen Unterstützern
Bei dem Human Rights Film Festival trat der aus der Haft entlassene Oleg Senzow auf. Der ukrainische Filmemacher will sich künftig für Gefangene einsetzen.
Vier Jahre war er in Haft, trat während der WM vergeblich in Hungerstreik und kam am 7. September bei einem Gefangenenaustausch frei: Nun tauchte der ukrainische Filmemacher Oleg Senzow überraschend in Berlin auf, am Mittwochabend im Kino International bei der Preisverleihung des 2. Human Rights Film Festivals.
Der russische Regisseur Askold Kurov wurde für seinen Dokumentarfilm "Novaya" mit dem Willy-Brandt-Dokumentarfilmpreis für Freiheit und Menschenrechte ausgezeichnet, ein Blick in den Redaktionsalltag der "Nowaja Gaseta", einer der ersten und jetzt leider auch letzten unabhängigen Zeitungen Russlands, die für ihre investigative und kritische Berichterstattung bekannt ist und vom Regime verfolgt wird. Alleine fünf Journalisten und ein Anwalt der Redaktion wurden seit 2000 ermordet.
Bei der Preisverleihung an Kurov durch Peter Brandt, einen der Söhne Willy Brandts, trat der ukrainische Regisseur und Aktivist Oleg Senzow als Überraschungsgast auf. Kurov hatte in seinem vorherigen Film "The Trial" den Prozess im Jahr 2014 dokumentiert, der mit Senzows Verurteilung zu 20 Jahren Haft wegen angeblichem Terrorismus endete.
Der von vielen Menschenrechtsorganisationen als politischer Gefangener angesehene Senzow blieb nach seiner ersten handschellenlosen Reise zurückhaltend, bedankte sich bei seinen Unterstützern und zeigte sich glücklich darüber, an der Seite seines Kollegen und Freunds Askold Kurov sein zu können. Er will sich weiter für andere Gefangene in Russland einsetzen und für die dort inhaftierten Ukrainer kämpfen, sagte Senzow der dpa. "Und ich werde meine Filme machen. Und ich werde leben."
Der Regisseur hatte sich bei den Maidan-Protesten engagiert
Regisseur Kurov widmete seinen Film dem 25. Geburtstag der "Nowaja Gaseta" und nannte die Zeitung im heutigen Russland ein Beispiel für die Gefährdung und Zerbrechlichkeit von Meinungsfreiheit, die keine Errungenschaft auf ewig sei, sondern die man Tag für Tag verteidigen müsse.
Oleg Senzow - sein international beachteter Film "Gamer" stammt von 2012 - hatte sich bei den Maidan-Protesten engagiert und die Annexion der Halbinsel Krim kritisiert. Trotz zahlreicher Proteste und Gnadengesuche an Präsident Wladimir Putin, unter anderem von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, saß Senzow seit 2015 in einem sibirischen Straflager und war nach seinem mehrmonatigen Hungerstreik im Sommer 2018 gesundheitlich so angeschlagen, dass er in Lebensgefahr schwebte. Mit der Protestaktion während der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland wollte er erreichen, dass alle in Russland inhaftierten politischen Gefangenen aus der Ukraine freigelassen werden.
Senzow spricht in Berlin auch mit Grünen-Politikern
Am Mittwoch war Senzow tagsüber unter anderem beim "Zentrum Liberale Moderne" zu Besuch, einem von den Grünen-Politikern Marieluise Beck und Ralf Fücks gegründeten Think Tank. Auch etliche Grünen-Politiker hatten sich für seine Freilassung eingesetzt. Er sei okay, soll er dort auf die Frage nach seinem Befinden geantwortet haben. Auch sei er zuversichtlich für die Ukraine, dort werde die Zivilgesellschaft die Zügel nicht mehr aus der Hand geben. Russland hingegen werde von einer Mafia regiert.
Bei der Abschluss-Veranstaltung des Human Rights Filmfestivals wurden zwei weitere Preise erstmals verliehen. Der Sustainable Impact Award ging an Claudia Oettrich vom Verleih Filmperlen für das deutsche Kinorelease des syrischen Eröffungsfilms "For Sama". Und mit dem Short Film Award wurde "Der Kampf um die Rechte" von August Schüßler, Maximilian Neufeldt und Kilian Harbauer ausgezeichnet.
Christiane Peitz