Human Rights Film Festival Berlin: Was bedeutet das eigentlich, Menschenrechte?
45 Filme in acht Tagen: Das Berliner Human Rights Film Festival zeigt ein breites Spektrum an Dokumentarfilmen über Krieg, Migration, Klimawandel, Aktivisten.
Bleiben oder gehen? Eine junge Frau in Aleppo verliebt sich, sie wird schwanger und zweifelt: Soll sie ihr Kind im Krieg großziehen? Der vielfach ausgezeichnete syrische Dokumentarfilm „For Sama“ eröffnet an diesem Mittwoch im Kino International das 2. Berliner Human Rights Film Festival. Und macht gleich klar, wie weit das Spektrum gefasst ist, von direkten Menschenrechtsverletzungen über die Folgen des Klimawandels und die zerstörerischen Aspekte des Tourismus auf den Osterinseln bis zur Pressefreiheit.
Weil die erste Ausgabe des Human Rights Festivals 2018 so erfolgreich über die Bühne ging, ist das Filmfest gewachsen. 40 Dokumentarfilme sind bis zum 25. September überall in der Stadt zu sehen, im Kino in der Kulturbrauerei, in den Hackeschen Höfen, im City Kino Wedding, im Yorck und an weiteren Orten. Fünf zusätzliche Produktionen wurden speziell für Schüler ausgewählt, unter anderem geht es um Kinder im Krieg.
Das Hauptprogramm umfasst drei Themenblöcke. „Voices from a Troubled World“ versammelt Beiträge aus Kriegs- und Krisenregionen. „Global Spotlights“ ist auf die Herausforderungen von Ankunft und Versöhnung sowie den Kampf um Demokratie und Freiheit fokussiert. Etwa in „Heart of Stone“, der Langzeitbeobachtung eines minderjährigen afghanischen Flüchtlings in Frankreich. Oder in „Novaya“ über eine der letzten unabhängigen Zeitungen Russlands.
„Die Reihe entstand nicht zuletzt auf Anregung des Publikums,“ erklärt die Leiterin Anna Ramskogler-Witt von der NGO „Aktion gegen Hunger“, die das Festival veranstaltet. „Viele wünschten sich, dass die Themen nicht nur von weit herkommen, sondern auch das Hier und Jetzt in den Blick gerät.“ Umweltzerstörung und Klimawandel als Ursache von Konflikten und Migration, darum geht es im dritten Schwerpunkt „The Future is Now“.
Was bitte können Filme gegen Menschenrechtsverletzungen ausrichten, außer dass sie Empörung auslösen? „Film ist eines der emotionalsten Medien, um Inhalte zu vermitteln“, sagt Ramskogler-Witt. Dokumentarfilme mit ihren Menschengeschichten und anschaulichen Fakten lassen einem keine Hintertür offen, von wegen, die Story sei übertrieben und ohnehin nur erfunden. „Man ist der Wucht der Ereignisse ausgesetzt,“ so Ramskogler-Witt.
Und wie kann ich mich nun selbst engagieren? Darüber können Filmschaffende und Besucher im neu installierten Festivalzentrum diskutieren, in der Galerie Gesellschaft in der Auguststraße 83. Oder bei einem der Industry Talks mit Filmschaffenden, NGO-Mitarbeitern und Journalisten. Drei Berufsgruppen, die mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind, meint die Festivalleiterin: „Was bedeutet es, in eine Krisenregion zu gehen, welche Verantwortung bringt das mit sich?“
Auch neue Partner hat das Festival gewonnen, die Kinderrechtsorganisation „Save the Children“ und die NRC Flüchtlingshilfe. Und: Es gibt erstmals dotierte Preise. Neben dem Willy-Brandt-Preis für Freiheit und Menschenrechte und dem gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt ausgelobten „Sustainable Impact Award“, der dem aufklärerischen Potential von Dokumentarfilmen Rechnung trägt, wird auch ein Nachwuchs-Preis vergeben. Der Kurzfilm-Wettbewerb der UNO-Flüchtlingshilfe richtet sich an unter 24-Jährige, mit der Frage „Was bedeuten Menschenrechte für mich?“. Die besten Beiträge werden ebenfalls auf dem Festival gezeigt.
Dass die Hälfte aller Wettbewerbsfilme von Regisseurinnen stammen, freut Anna Ramskogler-Witt. Bei der Auswahl war dem Team neben der Qualität auch die Bandbreite wichtig, an Sujets, Länder, Herangehensweisen. „Menschenrechte sind nichts Abstraktes, eine Utopie, auf die man sich vor 70 Jahren geeinigt hat, sondern sie gelten konkret für alle. Und sie sind in den letzten Jahren einer erschreckenden Erosion ausgesetzt“, so die Festivalchefin. „Ich komme aus Österreich. Schon die Verrohung der Sprache ist der erste Schritt zur Menschenrechtsverletzung, darauf hat auch der UN-Flüchtlingskommissar aufmerksam gemacht.“
Die Hoffnung soll dabei nicht zu kurz kommen. So wird in „The Prosecutors“, einem Film über die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Bosnien, Ruanda und Kolumbien, nicht nur die oft jahrzehntelange Mühsal der Ahndung von Kriegsverbrechen nachgezeichnet. Auch der Mut der Betroffenen wird gewürdigt, das Insistieren, die Zähigkeit. Kann auch ich etwas tun? Die Antwort fällt danach vielleicht anders aus. (Infos und Tickets: www.humanrightsfilmfestivalberlin.de)
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