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Dirigent Daniele Gatti.
© Remko De Waal/dpa

MeToo und die Folgen: Offene Stadt

Frederik Hanssen über die Zukunft des unter MeToo-Verdacht geratenen Dirigenten Daniele Gatti.

In Amsterdam herrscht dröhnendes Schweigen, seit das berühmte Concertgebouworkest Anfang August seinen Chefdirigenten Daniele Gatti gefeuert hat. „Sexuelles Fehlverhalten“ lautet der Vorwurf, der 56-jährige Italiener soll 1996 und 2000 zwei Musikerinnen begrapscht und bedrängt haben, wie die „Washington Post“ in einem #metoo-Artikel enthüllt hatte. Auch mehrere Instrumentalistinnen des niederländischen Orchesters hätten sich über das „unangemessene“ Verhalten des Maestro beschwert, hieß es bei der Trennungserklärung im Sommer. Gatti veröffentlichte daraufhin eine Erklärung, mit der er sich bei allen Frauen entschuldigte, die glaubten, dass er sie nicht „mit größtem Respekt und Würde“ behandelt habe.

Danach übernahmen die Anwälte. Weder über die Vorwürfe, noch über den Stand der Verhandlungen drangen seitdem Informationen an die Öffentlichkeit. Was all jene Orchester in Bedrängnis bringt, die Gatti vor dem Skandal bereits als Gastdirigent verpflichtet hatten. Wie die Berliner Philharmoniker. Obwohl die Proben für Verdis „Otello“, der bei den Baden-Badener Osterfestspielen des Orchesters Premiere haben wird, in 14 Wochen starten, wollen sich die Philharmoniker nicht äußern, ob dann der Italiener im Graben stehen wird oder nicht. Zweifellos haben sie schon einen Ersatz in der Hinterhand, doch falls Gatti in dem Casus rehabilitiert werden sollte, wollen sie nicht als Vorverurteiler dastehen.

Gatti in Bedrängnis - Engagements hatte er trotzdem

Andere Institutionen reagieren da weniger sensibel. Beim BR-Symphonieorchester hat Gatti im Oktober dirigiert, auch in Florenz und Sankt Petersburg konnte er auftreten, seine Website führt für 2019 eine Italientournee mit dem Mahler Chamber Orchestra auf sowie Engagements in Leipzig, an der Mailänder Scala und bei der römischen Accademia di Santa Cecilia. In der Ewigen Stadt wird er sich künftig sowieso viel aufhalten, denn gerade hat das Teatro dell’Opera di Roma bekanntgegeben, dass Gatti dort Chefdirigent wird. Und zwar – analog zu seinem Amsterdamer Rauswurf – „mit sofortiger Wirkung“.

Verkündet wurde die Ernennung des umstrittenen Maestro von einer Frau, der Bürgermeisterin Virginia Raggi nämlich, die der Cinque- Stelle-Bewegung angehört. Und zwar im Anschluss an die von Gatti dirigierte Saisoneröffnung mit der Verdi-Oper „Rigoletto“, die sich um den Herzog von Mantua dreht, der unbekümmert Adelstöchter schändet.

Das Teatro dell’Opera di Roma suchte lange einen Musikchef

Das Opernhaus in Rom hat schon lange nicht mehr mit künstlerischen Erfolgen von sich reden gemacht, sondern durch Streiks, Schulden und den Abgang von Stardirigent Riccardo Muti, der 2008 angetreten war, um den Ruf des Hauses zu retten, 2014 aber entnervt hinschmiss. Seitdem fand sich kein neuer Musikchef mehr. Mit Daniele Gatti und dem Teatro dell’Opera di Roma haben sich nun zwei Akteure zusammengetan, die unter besonderer Beobachtung stehen – und gerade nach jedem Strohhalm greifen.

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