Pläne der Philharmoniker 2018/19: Eine Saison ohne Chefdirigent
Die Berliner Philharmoniker blicken voraus auf ihre erste Spielzeit ohne Simon Rattle. Sir Simon wird zum Abschied gleich doppelt geehrt.
Der Chef ist nicht da. Weil er ja sowieso bald weg ist. Simon Rattle fehlt am Donnerstag bei der Programmpräsentation der Berliner Philharmoniker, die Orchestervorstände müssen also alleine klarkommen bei der Vorstellung der Pläne für 2018/19, zusammen mit Andrea Zietzschmann, der neuen Intendantin. Denn Rattles Nachfolger Kirill Petrenko tritt sein Amt ja erst im Herbst kommenden Jahres an. Obwohl: Die Saisoneröffnung am 24. August wird er dirigieren – und am Tag darauf wiederholen, als Benefizkonzert zugunsten des Wiederaufbaus des Berliner Schlosses. Werke von Richard Strauss und Beethoven erklingen dann im Schlüterhof, dort wo die Berliner Philharmoniker bereits in den 30er Jahren unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler ihre Sommerkonzerte veranstalteten.
13 Auftritte mit seinem künftigen Orchester wird Petrenko in Berlin und auf Tournee bestreiten. Das hiesige Publikum allerdings kann ihn nach den August-Konzerten nur noch an drei Abenden im März 2019 erleben, mit einem Tschaikowsky-Schönberg-Programm. Und er leitet – als schöne Geste zu dessen 50. Gründungsjubiläum – einen Auftritt des Bundesjugendorchesters im Januar in der Philharmonie. Bei den Osterfestspielen 2019 in Baden-Baden überlässt er Daniele Gatti die Opernproduktion, Verdis „Otello“ in der Regie von Robert Wilson, und beschränkt sich dort auf ein Konzert.
Die Vorfreude auf Kirill Petrenko hält zwar weiterhin an, beim Publikum wie beim Orchester – dass er sich allerdings noch nicht einmal zu einem Gruß per Videobotschaft anlässlich der Programmpräsentation durchringen kann, enttäuscht dann doch. So geht der wichtige Termin äußerst sachlich über die Bühne, mit jeder Menge Zahlen, Daten, Fakten, aber wenig Emotionen.
Daniel Barenboim übernimmt die Silvesterkonzerte
Als „Moment des Innehaltens“ will Andrea Zietzschmann die chefdirigentenlose Saison verstanden wissen. Und als Gelegenheit, mit einigen Maestri der mittleren Generation die Zusammenarbeit zu vertiefen. Gustavo Dudamel, Yannick Nezet-Séguin, Andris Nelsons, Tugan Sokhiev und Paavo Järvi wurden alle gleich doppelt eingeladen. Daniel Harding dirigiert sogar drei Programme.
Die riskante Ehre eines Debüts bei den Philharmonikern widerfährt Michael Sanderling, Jakob Hrusa und Costantinos Carydis. Nach langer Zeit steigen Valery Gergiev und Sakari Oramo mal wieder aufs Pult. Daniel Barenboim übernimmt die Silvesterkonzerte und dirigiert im Juni 2019 haargenau dieselbe Haydn- Beethoven-Schumann-Kombination, mit der er vor einem halben Jahrhundert seinen allerersten Auftritt mit den Philharmonikern hatte.
Viele freundliche Worte finden sowohl Orchestervorstand Knut Weber wie auch Medienvorstand Olaf Maninger für den scheidenden Chefdirigenten. So wie die Orchesterakademie, also das Stipendienprogramm für außergewöhnliche Hochschulabsolventen, aus dem sich mittlerweile ein Drittel der Philharmoniker rekrutiert, Karajans Vermächtnis sei, ist das Education-Programm das nachhaltige Erbstück von Simon Rattle. Die Musiker wollen es liebevoll weiter pflegen.
Zweimal kommt Simon Rattle in die Philharmonie
Das orchestereigene Label erhrt Rattle zum Abschied auf doppelte Weise: zum einen mit einer 50-minütigen Dokumentation über die 16 gemeinsamen Jahre und zum anderen mit einer 5-CDBox, die Aufnahmen von der letzten Tournee durch Asien im vergangenen Herbst versammelt.
Zweimal wird Sir Simon 2018/19 in die Philharmonie kommen – um einmal mehr Peter Sellars Inszenierung der „Johannes-Passion“ zu leiten sowie für Schumanns 2. Sinfonie und Lachenmanns Konzert für acht Hörner.